Auch Arbeitslager formell abgeschafft China lockert die Ein-Kind-Politik

Peking · Peking macht Zugeständnisse bei den Menschenrechten: China hat seine Arbeitslager zur Umerziehung formell abgeschafft und seine Ein-Kind-Politik gelockert. Der Ständige Ausschuss des chinesischen Volkskongresses verabschiedete als höchstes Legislativorgan am Samstag eine entsprechende Resolution, wie die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua mitteilte.

Auch Arbeitslager formell abgeschafft: China lockert die Ein-Kind-Politik
Foto: dpa, Bernd Thissen

Das Zentralkomitee hatte das Reformpaket im Abschlussdokument seines Plenums im November angekündigt. Mit der Resolution vom Samstag treten die Reformpläne nun unmittelbar in Kraft, wie Xinhua schreibt. Allerdings seien zunächst noch die Provinzen und die Zentralregierung für die Umsetzung der Regelungen verantwortlich.
Behörden hatten bereits angekündigt, dass sie die neuen Regelungen zur Ein-Kind-Politik erst schrittweise einführen wollten.

Menschenrechtsgruppen warfen der chinesischen Regierung jedoch Augenwischerei bei der Abschaffung der Arbeitslager vor. "Der Missbrauch und die Folter gehen weiter, nur in einer anderen Form", sagte Corinna-Barbara Francis von Amnesty International kürzlich. Zwar würden die Arbeitslager abgeschafft, aber Untersuchungen hätten gezeigt, dass die gleichen Menschen weiterhin bestraft würden. Einige Arbeitslager hätten lediglich ihren Namen geändert, aber arbeiteten nun als "Rehabilitierungsanstalten für Drogenabhängige" nach den gleichen Methoden wie zuvor.

In den Arbeitslagern konnten Chinesen ohne Gerichtsverfahren bis zu vier Jahre festgehalten werden. Viele Oppositionelle oder Aktivisten sind in der Vergangenheit einfach auf Anweisung der Polizei in den Lagern verschwunden, ohne sich rechtlich wehren zu können. Auch Kleinkriminelle landeten häufig in den Lagern.

Mit der Lockerung der Familienpolitik dürfen Paare, von denen ein Partner Einzelkind ist, künftig zwei Kinder haben. Bisher galt diese Regel nur für Paare, bei denen beide Partner selbst Einzelkinder waren. Bis heute verringerte die strikte Familienpolitik die chinesische Bevölkerung um schätzungsweise 300 Millionen Menschen.

Der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch gingen die Änderungen jedoch nicht weit genug. "Die überarbeiteten Regeln schränken immer noch unrechtmäßig das Recht auf Fortpflanzung ein", kritisierte Brad Adams von Human Rights Watch kurz nach der Ankündigung des Zentralkomitees. Wer sich nicht an die strengen Vorgaben der Behörden halte, werde bestraft. Und es gebe immer wieder Berichte, nach denen Abtreibungen und Sterilisationen erzwungen würden.

Hintergrund: Die umstrittene Ein-Kind-Politik

Chinas Ein-Kind-Politik ist wegen diverser Ungerechtigkeiten schon lange sehr umstritten. Sie wurde 1979 eingeführt, um eine Bevölkerungsexplosion zu verhindern. Das wachsende Riesenvolk musste ernährt und die knappen Ressourcen geschützt werden. Daher entschloss sich die Staatsführung zu dem drastischen Schritt. Bis heute verringerte die strikte Familienpolitik die chinesische Bevölkerung um schätzungsweise 300 Millionen Menschen.

Wegen Zwangsmaßnahmen und Abtreibungen in vorgerückter Schwangerschaft stand die Familienpolitik immer in der Kritik. Zuletzt wurde sie zunehmend gelockert. Es gibt Ausnahmen für Minderheiten. Bauern, die als erstes ein Mädchen bekommen, dürfen nochmals versuchen, einen männlichen Stammhalter zu bekommen. Auch Paare, bei denen beide Partner selbst Einzelkinder waren, können ein zweites Kind bekommen.

So trafen die Beschränkungen zuletzt nur auf ein Drittel der Familien zu. Gewitzte Chinesen fanden häufig auch Wege, die Beschränkungen zu umgehen. Wer genug Geld hat, zahlt häufig einfach die Strafen, die bei einem zweiten Kind verhängt werden. Anfang Dezember musste auch Chinas Star-Regisseur Zhang Yimou einräumen, Vater von drei Kindern zu sein. Ihm und seiner Frau droht eine hohe Geldbuße, die das Fünf- bis Achtfache ihres gemeinsamen Jahreseinkommens betragen kann.

Eine Folge der Ein-Kind-Politik sind verwöhnte "kleine Kaiser", die nach Studien weniger lebenstüchtig sind. Auch gibt es heute einen starken Männerüberschuss. Zwar sind Ultraschalluntersuchungen nicht erlaubt, aber trotzdem werden Mädchen häufig abgetrieben, weil Jungen traditionell bevorzugt werden. Töchter wechseln mit der Heirat in die Familie des Ehemanns. Viele Männer finden heute aber keine Frau mehr.


(dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort