Schüsse bei Parade zum US-Nationalfeiertag Anderer Ort, gleiches Szenario

Washington · Ein anderer Ort, ein anderer Anlass, dasselbe Ergebnis: Die Schießattacke auf eine Parade zum amerikanischen Unabhängigkeitstag verändert eine bis dahin friedliche Wohnstadt für immer.

Chicago: Tote durch Schüsse bei „4.Juli“-Parade
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Tote durch Schüsse bei „4.Juli“-Parade in Chicago

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Foto: AFP/Jim Vondruska

Die Nachbarschaft von Highland Park ist so ziemlich das Gegenteil der bettelarmen South Side von Chicago. Während in den schwarzen Nachbarschaften Schusswaffengewalt zum traurigen Alltag gehört, rühmt sich das in Filmen wie „Kevin – Allein zu Haus“ dargestellte Heile-Welt-Idyll für seine niedrige Kriminalitätsrate. Acht von zehn Einwohner in Highland Park sind weiß, verdienen im Schnitt 150.000 US-Dollar im Jahr, führen ein meist sorgenfreies Leben.

An diesem Nationalfeiertag vereinte der durch die unkontrollierte Verbreitung von Schusswaffen ermöglichte Terror eines der ärmsten mit einem der reichsten Wohngebiete der „Windy City“. Auf der South Side kamen fünf Menschen ums Leben, in Highland Park nördlich von Chicago sechs. Für Schlagzeilen allein sorgt die Schusswaffengewalt vor der Kulisse des mit Laubbäumen bewachsenen Vorortes. Dort hatte sich eine fröhliche Festtagsparade mit patriotisch geschmückten Wagen, Fußgruppen und Blaskapellen gerade in Bewegung gesetzt, als gegen 10 Uhr morgens Schüsse fielen.

Dee Dee Strauss (64) saß mit Bruder und Schwägerin vor einem Restaurant, um den patriotischen Umzug zu verfolgen. Wie viele andere Besucher dachte sie, dies seien Feuerwerkskörper und Salutschüsse für die Veteranen. „Plötzlich sah ich Leute auf dem Boden, blutüberströmt“, sagt Dee Dee. Panisch versuchten die Menschen in alle möglichen Richtungen zu flüchten, während der Schütze vom Dach eines Kosmetikladens aus mit einer kriegstauglichen Waffe in die Menge schoss.

Als der Terror vorüber war, hatten sechs Menschen ihr Leben verloren, mehr als 40 weitere erlitten zum Teil schwere Verletzungen. Nach einer achtstündigen Verfolgungsjagd konnte die Polizei den mutmaßlichen Täter festnehmen. Es handelt sich um den Sohn eines lokalen Feinkostladen-Besitzers, der in der 30.000-Einwohnerstadt einmal erfolglos als Bürgermeister angetreten war. Was den 22-jährigen Gelegenheitsarbeiter angetrieben hatte, blieb zunächst unklar. Einiges deutet auf psychische Probleme hin.

US-Präsident Joe Biden äußerte sich „schockiert über die sinnlose Schusswaffengewalt“. Er hob die bescheidenen Verschärfungen im Waffenrecht hervor, die der Kongress kürzlich beschlossen hatte. Deutlicher äußerte sich der Gouverneur von Illinois, J. B. Pritzker. Gebete allein seien zu wenig, „den Terror der außer Kontrolle geratenen Waffengewalt in unserem Land unter zu beenden“. Es handelte sich nach den Angriffen im Mai auf einen Supermarkt in Buffalo im Bundesstaat New York und kurz darauf auf eine Grundschule im texanischen Uvalde um das dritte Massaker. „Der 4. Juli sollte eigentlich ein Tag sein, Gemeinschaft und Freiheit zu feiern“, erklärte die Bürgermeisterin von Highlands Park Nancy Rotering: „Stattdessen ringen wir mit dem Terror, der uns heimsuchte.“

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