Staatschefs schauen bei G-8-Gipfel Fußball Cameron tröstet Merkel

Camp David · Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die dramatischen Minuten des Champions-League-Finales zwischen Bayern München und Chelsea London live im Kreis der G-8-Staatschefs erlebt. Am Ende nahm Großbritanniens Premier David Cameron die Kanzlerin in den Arm.

Merkel und Cameron schauen CL-Finale
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Angela Merkel schnellt die Hände vor ihr Gesicht, schimpft, schüttelt mit dem Kopf. Aus. Vorbei. Verloren. Die Kanzlerin steht in einem kleinen Konferenzraum in einer Blockhütte von Camp David, dem idyllischen Landsitz von US-Präsident Barack Obama, und ist verärgert. Soeben hat Bayern München das Champions-League-Finale verloren, ein neues deutsches Fußballtrauma bestimmt das Geschehen in der Heimat. Die Bundeskanzlerin verfolgt das Drama im Kreis der acht Staatschefs der führenden Industrienationen in Camp David. Die Euro-Krise und der Atomstreit mit dem Iran ist in diesem Moment weit weg. Der G-8-Gipfel in den USA endet am Samstagnachmittag Ortszeit mit einem "political Viewing".

Immer wieder hatten Merkel und ihr britischer Amtskollege David Cameron die Arbeitssitzungen der Staatschefs zu den Themen Energieversorgung und Klimaschutz verlassen, um in einem separaten Raum das Fußball-Spiel zu verfolgen. Als Arjen Robben in der zweiten Halbzeit den vielleicht vorentscheidenden Elfmeter für die Bayern verschießt, ahnt Merkel bereits Schlimmes. Den frotzelnden Einwurf ihres britischen Amtskollegen, bei einem Elfmeterschießen sei Deutschland doch eh besser, entgegnet Merkel zurückhaltend. Das sei heute irgendwie anders, glaubt sie. Die letzte Sitzung der Staatschefs endet gerade rechtzeitig für das Elfmeterschießen.

Vereint beim "Football-Viewing"

Frankreichs neuer Präsident Francois Hollande, Italiens Regierungschef Maio Monti, Russlands Dimitri Medwedew und sogar US-Präsident Barack Obama, eigentlich ein Basketball-Fan, schließen sich Merkel, Cameron und den Mitgliedern der britischen und deutschen Delegation in dem Nebenzimmer an. Ein US-Sportsender überträgt live. Die Mächtigen bangen, jubeln und fluchen. Vor allem Cameron soll besonders leidenschaftlich das Geschehen verfolgen. Und Obama lernt, so ist es später jedenfalls in der Delegation zu hören, dass auch Deutsche schimpfen und Torhüter Elfmeter schießen können. Das Gefühl der Kanzlerin trügt am Ende nicht. Schweinsteiger setzt seinen Elfmeter an den Pfosten, Drogba trifft. Trauer in der deutschen Delegation. Ausgerechnet David Cameron legt seinen Arm tröstend um Merkel. Barack Obama kommt hinzu, lächelt. Das Gipfeltreffen endet mit dem Europapokal für die Briten.

Die Kanzlerin dürfte es verschmerzen. Auf dem politischen Spielfeld der G-8 war die Regierungschefin zuvor erfolgreicher. Den Streit um die richtige Wirtschaftspolitik in Europa gewinnt sie - zumindest teilweise. Während Frankreichs neuer Präsident Francois Hollande und Großbritanniens David Cameron die Deutsche zu mehr Ausgaben für die südeuropäischen Krisenländer drängen, bleibt Merkel hart.

Obama auf Merkels Seite bei Fiskalpolitik

Knapp drei Stunden hatten die G-8 üner die Euro-Krise diskutiert. Merkel legte ihre Position dar: Wachstum nur durch Strukturreformen. US-Präsident Obama springt ihr zur Seite, warnt vor "künstlichen Schüben" durch Ausgabenprogramme. "Wir brauchen eine Wachstumsagenda für die Euro-Zone bei Beibehaltung fiskalischer Disziplin", sagt Obama. Er will vermitteln. Wenige Monate vor den Präsidentschaftswahlen will Obama keinen Streit auf "seinem" Gipfel. Der US-Präsident betont auch, dass dynamische Arbeitsmärkte eine Voraussetzung für wirtschaftliches Wachstum seien. Der Punkt ist besonders Merkel wichtig.

Man einigt sich schließlich auf ein generelles Veto allgemeiner Konjunkturprogramme. Im Gipfelkommuniqué finden sich die Begriffe "wachstumsfördernd" und fiskalische Disziplin gleich nebenenander. Dies seien "zwei Seiten derselben Medaille", begründet Merkel. Die Befürchtung in der deutschen Delegation, das der G-8-Gipfel mit harscher Kritik an Merkels europäischem Sparkurs endet, tritt nicht ein.

So bleibt nach zwei Tagen im Naturpark im Bundesstaat Maryland nur die deutsche Niederlage in der Champions League als Makel. Allerdings geht auch EU-Ratspräsident Herman van Rompuy an diesem Samstag als Verlierer vom Platz. Sein belgischer Heimatverein RSC Anderlecht hätte einen Qualifikationsplatz für das europäische Spitzenturnier im nächsten Jahr ergattern können, wenn Bayern München den Titel geholt hätte.

(RP/felt/das)
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