Abhörskandal in Großbritannien Cameron bedauert Coulson-Einstellung

London (RPO). Der britische Premierminister David Cameron hat in einer Sondersitzung des Parlaments zum Abhörskandal um die Zeitung "News of the World" die Anstellung des früheren Chefredakteurs des Blattes als Pressechef bedauert.

Murdoch entschuldigt sich
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Foto: AP

"In der Rückschau" hätte er Andy Coulson nicht eingestellt, sagte Cameron am Mittwoch. Oppositionschef Ed Miliband warf ihm vor, er habe die Augen vor der Wahrheit verschlossen und verlangte eine Entschuldigung.

"Natürlich" bedauere er den durch Coulsons Ernennung ausgelösten Skandal, sagte Cameron, der eine Afrikareise abgebrochen hatte, um vor dem Unterhaus Stellung zu nehmen. "Man trifft Entscheidungen nicht in der Rückschau, man trifft sie in der Gegenwart. Man lebt und lernt und glauben Sie mir, ich habe gelernt", versicherte der immer wieder von Zwischenrufen unterbrochene Cameron. Er habe aber eine "altmodische Haltung zur Unschuldsvermutung" und lehne es ab, sich für die Einstellung Coulsons zu entschuldigen, bevor dessen Schuld bewiesen wurde.

Coulson war von 2003 bis 2007 Chefredakteur der infolge des Skandals inzwischen eingestellten "News of the World". In dieser Zeit sollen Journalisten des Blatts die Telefone von Prominenten, aber auch von Angehörigen von Kriminalitäts- und Anschlagsopfern abgehört und Polizisten bestochen haben. Coulson streitet ab, von den Aktionen gewusst zu haben. Kurz nach seiner Ablösung als Chefredakteur engagierte ihn Cameron als seinen Pressechef. Er behielt ihn auch, als er im Mai 2010 Premier wurde. Im Januar musste Coulson jedoch wegen des Abhörsskandals zurücktreten und wurde vergangene Woche vorübergehend festgenommen.

Oppositionsführer Miliband warf Cameron vor, durch die Beschäftigung Coulsons in einem Interessenkonflikt geraten zu sein. Sein Büro habe ihn nicht über die Ermittlungen informiert, weil sie sich gegen einen seiner engsten Mitarbeiter richteten. "Es war ein gezielter Versuch, die Fakten über Herrn Coulson zu verstecken", sagte der Labour-Chef, der eine Entschuldigung von Cameron verlangte. Am Dienstag hatte der Medienausschuss des Parlaments bereits den Medienmogul Rupert Murdoch und dessen Sohn James vernommen.

Dabei hatte ein Mann einen Teller mit Rasierschaum auf den 80-jährigen Rupert Murdoch geworfen. Der Präsident des Unterhauses, John Bercow, kündigte am Mittwoch eine umfassende Untersuchung des Vorfalls an. "Es ist völlig inakzeptabel, dass ein Mitglied der Öffentlichkeit einen Zeugen so behandelt - und so behandeln kann", sagte Bercow. Gegen den Täter, den 26-jährigen Komiker Jonathan May-Bowles, wurde ein Verfahren wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses eingeleitet. Rupert Murdoch verließ unterdessen London und beendete damit seinen elftägigen Besuch in Großbritannien.

Am Vormittag hatte ein Untersuchungsausschuss des Parlaments einen ersten Bericht zur Abhöraffäre vorgelegt. Der Ausschuss wirft Murdochs britischer Zeitungsgruppe News International vor, versucht zu haben, die Ermittlungen in der Affäre zu vereiteln. Zugleich kritisiert er die "sehr mangelhaften" Ermittlungen der Polizei in den Jahren 2005 und 2006. Scotland-Yard-Vizechef John Yates habe sich "ernsthafte Fehleinschätzungen" geleistet, dessen Vorgänger Andy Hayman habe "bewusst" Tatsachen verdunkelt. Hayman war nach seinem Abgang bei der Polizei Kolumnist für Murdochs Zeitung "The Times" geworden.

(AFP/sdr)
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