Seine letzte große Rede stößt auf Skepsis Bush leitet Abschied von der Macht ein

Washington (RPO). US-Präsident George W. Bush hat vor dem US-Kongress seine letzte Rede zur Lage der Nation gehalten. Thema ist vor allem die größte Sorge seiner Landsleute, die Angst vor der Rezession. Sein Versuch, Hoffnung und Zuversicht zu wecken, ist nur bedingt erfolgreich.

"Auf lange Sicht können die Amerikaner auf das Wachstum unserer Wirtschaft vertrauen", sagte Bush am Montagabend in der Ansprache vor beiden Häusern des US-Kongresses. Er räumte aber ein, die US-Wirtschaft durchleben eine "Phase der Instabilität" und forderte den Kongress auf, das geplante Konjunkturpaket schnell zu verabschieden.

"Auf kurze Sicht können wir alle sehen, dass sich die Wirtschaft verlangsamt", sagte Bush: "An den Küchentischen überall im Land herrscht Sorge über unsere wirtschaftliche Zukunft." Vor seiner Rede hatte Bush dem Sender ABC gesagt: "Ich glaube nicht, dass es eine Rezession geben wird." Vergangene Woche hatten sich Bush und führende Vertreter beider Parteien im Kongress auf ein Konjunkturpaket im Umfang von 150 Milliarden Dollar geeinigt. Es sieht Steuererleichterungen für Privatleute und Investitionsanreize für Unternehmen vor.

Bush kündigte Einsparungen im Haushalt an. Er werde dem Kongress in der kommenden Woche einen Budgetentwurf zukommen lassen, der "151 verschwenderische oder aufgeblähte Regierungsprogramme ganz oder teilweise reduziert", sagte Bush. Dadurch könnten mehr als 18 Milliarden Dollar eingespart werden. Bis 2012 sollten die Staatsfinanzen aus den roten Zahlen kommen und wieder einen Überschuss aufweisen. Welche Programme von den Streichungen betroffen wären, sagte Bush nicht.

Das weitere große Thema heißt Irak

Zum Irak sagte Bush, ein Ende des Einsatzes dort würde die jüngste Stabilisierung der Lage gefährden: "Nachdem wir so weit gekommen sind und so viel erreicht haben, dürfen wir das nicht zulassen." Die Entscheidung über ein Ende des Einsatzes müsse von der Einschätzung der Kommandeure vor Ort abhängig gemacht werden. Trotz der allmählichen Stabilisierung der Lage seien "unsere Feinde noch nicht besiegt, und wir müssen mit weiteren harten Kämpfen rechnen". Der Einsatz ist ein wichtiges Thema im Präsidentschaftswahlkampf. Die Kandidaten der Demokratischen wollen im Fall eines Siegs den Truppenabzug einleiten.

Die Aufstockung der US-Truppen im Irak um gut 30.000 Soldaten im Jahr 2007 wertete Bush als Erfolg. Im laufenden Jahr solle "die nächste Etappe unserer Strategie" eingeleitet werden, kündigte er an. Der Schwerpunkt der US-Truppen solle sich von der militärischen Führung der Einsätze auf die partnerschaftliche Unterstützung der irakischen Armee verlagern. Zuletzt solle der Einsatz schließlich die Form einer "Schutzmission mit Überwachungsfunktion" annehmen. An die Kritiker seiner Politik gewandt sagte Bush: "Manche mögen am Erfolg der Truppenaufstockung zweifeln, doch die Terroristen zweifeln nicht daran."

70 Milliarden im letzten Jahr

Das US-Verteidigungsministerium kündigte an, dass der Präsident für die letzten Monate seiner Amtszeit weitere 70 Milliarden Dollar für die Einsätze im Irak und in Afghanistan beim Kongress beantragen wolle. Damit sollten die Missionen vom Beginn des Haushaltsjahrs 2009 im kommenden Oktober an bis zu Bushs Ausscheiden aus dem Amt im Januar 2009 finanziert werden. Für das Haushaltsjahr 2008 hatte Bush 196,4 Milliarden Dollar beantragt.

Mit Blick auf die Stammzellenforschung begrüßte Bush den im November verkündeten Forschungsdurchbruch, bei dem Stammzellen aus Hautzellen und damit unter Verzicht auf die Zerstörung menschlicher Embryonen gewonnen worden waren. So könne die Medizin vorangebracht werden, ohne menschliches Leben zu vernichten, sagte Bush. Derartige ethische Forschung solle in Zukunft stärker finanziell unterstützt werden. Zugleich bekräftigte Bush seine Forderung nach einem Verbot des Klonens von Menschen. Am 17. Januar hatte eine Biotech-Firma in Kalifornien mitgeteilt, sie habe menschliche Embryonen aus Hautzellen geklont.

Abschiedsstimmung kommt auf

Das große Wort "Vermächtnis" nahm Bush nicht in den Mund. Ihm ging es weniger um die historische Einordnung seines politischen Erbes als um die Demonstration seiner Handlungsfähigkeit. "Wir haben noch unerledigte Aufgaben vor uns, und das Volk will, dass wir sie erledigen", sagte Bush. Ganz vorne auf seine Agenda setzte er den Kampf gegen die Wirtschaftsflaute. Für Bush wäre es ein dringend benötigter Erfolg, sollten die zerstrittenen Parteien im Kongress mitten im Wahlkampf sein 150 Milliarden Dollar schweres Konjunkturprogramm verabschieden. "Wir wollen zeigen, dass Demokraten und Republikaner gleichzeitig um Wählerstimmen werben und für konkrete Resultate zusammenarbeiten können."

Nur noch 30 Prozent der US-Bürger sind mit Bush zufrieden. Die Würdenträger aus Senat und Repräsentantenhaus blickten bei der Rede auf einen Präsidenten, dessen Macht allmählich ausläuft. Und der Präsident sah vom Rednerpult aus möglicherweise schon den Nachfolger oder die Nachfolgerin. Auffallend oft schwenkten die Kameras der US-Nachrichtensender im Plenum auf die Senatoren Hillary Clinton und Barack Obama, die beide um Bushs Nachfolge kämpfen. "Wenn die Rede gehalten ist, wird es höchste Zeit, die Aufmerksamkeit auf den nächsten Präsidenten zu richten", sagte Clinton kühl. Obama wertete Bushs Rede als "leere Rhetorik". Applaus spendeten beide dem Redner nur sparsam.

Parteifreunde scheuen seine Nähe

Selbst die republikanischen Anwärter auf die Präsidentschaft scheuen die Nähe ihres unpopulären Parteifreunds Bush. Über seine ambitionierten innenpolitischen Projekte - Zuwanderungsreform, Reform der Sozialversicherung - schwieg der Präsident in seiner Rede. Sie sind längst am Widerstand des Kongresses gescheitert, ein Wiederbelebungsversuch wäre "unrealistisch", gab Bushs Sprecherin Dana Perino schon vorher zu.

Sein umstrittenstes außenpolitisches Erbe, den Irak-Einsatz, verteidigte Bush freilich ohne Abstriche. Die Verantwortung für den Ausgang des Kriegs, den er selbst begonnen hat, wies er dem Nachfolger zu. Für die US-Demokraten, die bei der Präsidentenwahl im November auf den Machtwechsel hoffen, hatte der Bush eine Warnung parat: Sollten sie ihre Ankündigung eines Truppenabzugs umsetzen, drohe der Rückfall des Irak ins Chaos. "Nachdem wir so weit gekommen sind und so viel erreicht haben, dürfen wir das nicht zulassen", sagte Bush.

In der Bewertung seiner Irak-Politik steht Bush indes deutlich in der Minderheit. In einer aktuellen Umfrage des "Wall Street Journal" missbilligten 67 Prozent der Befragten seinen Umgang mit dem Einsatz. "Bush hat ein Problem", resümiert der Politikexperte Thomas Mann vom Brookings-Institut in Washington mit Blick auf die Rede. "Niemand hört mehr richtig hin."

(afp)
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