Putsch-Versuch Chaotische Lage und Kämpfe in Burundi

Bujumbura · Schwere Kämpfe in Burundi: Einen Tag nach der Machtübernahme durch das Militär in dem ostafrikanischen Land ist es am Donnerstag in der Hauptstadt Bujumbura zu schweren Kämpfen gekommen.

 In Bujumbura, der Hauptstadt von Burundi, herrscht derzeit Chaos.

In Bujumbura, der Hauptstadt von Burundi, herrscht derzeit Chaos.

Foto: afp, MS

Augenzeugen berichteten am Morgen von Explosionen und Feuergefechten zwischen Anhängern des Putschisten Godefroid Niyombare und Getreuen von Präsident Pierre Nkurunziza. Die Vereinten Nationen (UN), die Europäische Union (EU) und die USA forderten die Konfliktparteien zur Zurückhaltung auf. In Burundi gibt es seit Ende April Massenproteste, weil Nkurunziza entgegen der Verfassung bei der Präsidentenwahl Ende Juni für eine dritte Amtszeit kandidieren wollte.

Niyombare hatte am Mittwoch im Radio erklärt, die Armee habe die Kontrolle über das Land, Nkurunziza sei abgesetzt. Der Präsident, der sich zu dieser Zeit zu einem Burundi-Krisengipfel der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC) im Nachbarland Tansania aufhielt, betonte dagegen, der Putschversuch sei gescheitert. Er rief die Menschen in einer im Internet verbreiteten Mitteilung zur Ruhe auf.

Unbekannte griffen den Berichten zufolge in Burundi verschiedene private Radiostationen unter anderem mit Granaten an. Später versuchten ranghohe Regierungsmitglieder offenbar, sich über Radiosender an die Bevölkerung zu wenden. Jedoch seien die Gebäude von Putschisten umstellt worden, die die Politiker zur Aufgabe bewegen wollten. Regierungsvertreter und Mitglieder der Präsidentengarde hätten sich daraufhin in den Stationen verschanzt, erklärten Beobachter vor Ort. Die Lage blieb aber unübersichtlich.

Später ließ Niyombare den Flughafen und die Grenzen sperren, um eine Rückkehr des Staatschefs zu verhindern. Verschiedene Medien berichteten, Nkurunziza habe dies vergeblich versucht. Da er nicht in Burundi landen konnte, sei er wieder nach Tansania geflogen. Wo er sich am Donnerstag aufhielt, war zunächst unklar.

Putschisten kontrollieren offenbar Flughafen

Beobachtern zufolge kontrollierten die Putschisten entgegen anderslautenden Medienberichten weiter den Flughafen. "Wenn die Regierung sagt, sie habe den Flughafen unter Kontrolle, warum kommt Nkurunziza dann nicht zurück?", sagte Venon Ndabaneze, ein Sprecher der Putschisten. "Die Menschen in Burundi müssen uns ein paar Stunden Zeit geben, dann werden wir dieses Chaos beenden", fügte er hinzu.

In der Bevölkerung herrschte Angst vor einem Scheitern des Umsturzes. "Das wäre das Ende, denn dann würden Zivilisten aus Vergeltung ermordet werden", sagte der Demonstrant Denis Murekezi.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte die Konfliktparteien zu Besonnenheit auf. Frieden und Stabilität seien gerade in einem Land wie diesem zu wahren, das so sehr unter früheren Gewaltausbrüchen habe leiden müssen, sagte ein Sprecher Bans in New York. Die EU appellierte, die Prinzipien des Friedensvertrages von Arusha aus dem Jahr 2000 müssten eingehalten werden. Dazu gehöre auch die Abhaltung glaubwürdiger, transparenter Wahlen, teilte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini in der Nacht zum Donnerstag in Brüssel mit.

Auch US-Präsident Barack Obama drängte die Konfliktparteien zu einem Ende der Gewalt. "Wir rufen alle Seiten auf, die Waffen niederzulegen, die Gewalt zu beenden und Zurückhaltung zu üben", sagte Obamas Sprecher Josh Earnest. Die Behörden müssten für die Präsidentenwahl Ende Juni angemessene Bedingungen schaffen. Grundlegende demokratische Abläufe müssten eingehalten werden. "Und es gibt derzeit berechtigte Sorgen, dass das nicht geschieht", sagte Earnest.

Blutige Vergangenheit

Die ehemalige belgische Kolonie Burundi ist seit 1962 unabhängig. Das kleine Land, in dem heute rund zehn Millionen Menschen leben, wurde seither immer wieder von ethnischer Gewalt zwischen der Hutu-Mehrheit (85 Prozent) und der Tutsi-Minderheit (14 Prozent) erschüttert. Die schlimmsten Massaker fanden 1972 und 1993 statt, kleinere Konflikte gab es auch 1965, 1969, 1988 und 1991. Insgesamt wurden dabei Schätzungen zufolge 300.000 Menschen beider Gruppen getötet.

Die schwere Krise von 1993 wurde durch den Mord an dem ersten demokratisch gewählten Hutu-Präsidenten Melchior Ndadaye und seinen engsten Mitarbeitern ausgelöst. Für die Tat war die überwiegend von Tutsis beherrschte Armee verantwortlich. Hutus verübten daraufhin Massaker an Tutsis, während auch Tutsi-Soldaten als Vergeltung schwere Gräueltaten an Hutus begingen. Seit Anfang der 1970er Jahre wurden mindestens 650 000 Menschen vertrieben. Viele suchten in den Nachbarländern Kongo, Tansania und Ruanda Zuflucht.

Die Gewalt endete erst mit einem Friedensvertrag, der am 28. August 2000 im tansanischen Arusha unterzeichnet wurde. Die Vereinbarung sah die Einrichtung einer Wahrheits- und Versöhnungskommission und eines Sondertribunals für Kriegsverbrecher vor.

Aus der ersten demokratischen Nachkriegswahl ging 2005 die Partei CNDD-FDD als Sieger hervor. Seither war der ehemalige Hutu-Rebellenführer Pierre Nkurunziza Präsident des ostafrikanischen Landes. Laut Arusha-Vertrag und der daraus entstandenen Verfassung muss ein Staatschef nach zwei Amtszeiten abtreten. Nkurunziza hatte aber im April angekündigt, Ende Juni für eine dritte Amtszeit kandidieren zu wollen. Daraufhin war es zu Massenprotesten gekommen.

(ap)
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