ARD und ZDF Bundeswehrsoldaten ermitteln als Reporter getarnt

Mainz (rpo). Um an Informationen über Häftlinge des Gefangenenlagers Guantánamo zu kommen, sollen Bundeswehrsoldaten in einem weiteren Fall als Reporter getarnt aufgetreten sein. Das berichten ARD und ZDF übereinstimmend.

2008: Gefangenenlager Guantanamo
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Foto: AP

Wie "tagesschau.de" und das ZDF-Magazin "Frontal 21" am Dienstag berichteten, besuchten drei als RTL-Reporter getarnte Soldaten im August 2004 in Afghanistan die Familie des mittlerweile aus Guantánamo freigekommenen Mohammed Wazir.

"Die drei Journalisten haben aber immer gefragt, ich soll ihnen erklären, wie viele Menschen in Guantánamo in Haft sind", sagte Mohammed Wazirs Bruder Taj dem ZDF. Eine Kamera hätten die zwei Männer und eine Frau nicht dabei gehabt. Sie hätten sich Notizen gemacht und angekündigt, noch mal mit Kamera wiederkommen zu wollen. Dieser Besuch habe nie stattgefunden.

Den Recherchen der beiden Fernsehsender zufolge gab es über diesen Besuch in Afghanistan in Deutschland keinerlei Berichterstattung in den Medien. Stattdessen sei im Nachrichtenwesen der Bundeswehr ein vertraulicher Bericht mit dem Inhalt des Gesprächs mit Shakira Wazir, der Mutter des Ende 2004 aus Guantánamo Freigekommenen, aufgetaucht.

Mit US-Kräften ausgetauscht werden

In dem Papier, das "tagesschau.de" vorliegt, werden unregelmäßige Besuche bei der Frau vorgeschlagen. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse sollten mit den US-Kräften ausgetauscht werden. Bereits im Dezember hatten Recherchen des Online-Dienstes ergeben, dass im Jahr 2003 als Journalisten getarnte Bundeswehrsoldaten in Bosnien die Frau eines Guantánamo-Häftlings besucht und befragt hätten.

Das Bundesverteidigungsministerium streitet laut "tagesschau.de" die getarnten Ermittlungen ab. "Dem Ministerium liegen keine eigenen Erkenntnisse zu einem Besuch der Familie Wazir im August 2004 durch Angehörige der Bundeswehr vor", sagte ein Ministeriumssprecher dem Online-Dienst.

In einem vertraulichen Bericht an alle Bundestagsabgeordneten habe sich die Bundesregierung Ende Februar außerdem festgelegt, dass es keinen Auftrag an Einsatzkontingente gebe, Nachforschungen zu Guantánamo-Häftlingen anzustellen. Der parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Friedbert Pflüger (CDU), habe zudem mehrfach im Verteidigungsausschuss des Bundestages gesagt, dass es keinen weiteren Fall neben dem in Bosnien-Herzegowina gibt.

"Rede von Einzelfällen unglaubwürdig"

Der FDP-Verteidigungsexperte Rainer Stinner forderte angesichts der neuen Berichterstattung Aufklärung in der nächsten Sitzung des Verteidigungsausschusses am kommenden Mittwoch. "Wenn es wirklich diese Parallelen zu dem Vorfall in Bosnien-Herzegowina gibt, dann wirkt die Rede von Einzelfällen unglaubwürdig", erklärte Stinner in Berlin.

Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele, der im Parlamentarischen Kontrollgremium für die Geheimdienste zuständig ist, verurteilte gegenüber dem ZDF die angeblichen verdeckten Ermittlungen. "Die Bundeswehr darf so etwas nicht. Die Bundeswehrangehörigen müssen in Uniform agieren, und sie dürfen nicht zu einem neuen Geheimdienst werden."

(afp)
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