Einsatz in Afghanistan Bundeswehr erleichtert den Kampf

Berlin (RPO). Das Verteidigungsministerium ändert die Vorgaben für die Soldaten in Afghanistan: Angesichts der gewachsenen Gefahr von Taliban-Hinterhalten und Feuergefechten wird klargestellt, dass die Truppe am Hindukusch sich nicht nur verteidigen, sondern auch offensiv vorgehen kann.

Juli 2009: US-Truppen starten in Afghanistan größte Offensive seit Vietnam
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Wieder tritt die Bundeswehr bei ihren Auslandseinsätzen in eine neue Phase ein. Die bislang eher defensive und vor allem auf "Eigenschutz" bezogene Befehlslage in Afghanistan wird den neuen Verhältnissen angepasst. Die Ministeriumsspitze in Berlin spricht nicht von Änderungen.

Sie bevorzugt die Bezeichnung "klarstellen". Klar gestellt wird in den so genannten "Taschenkarten" mit den Handlungsanweisungen für den Einsatz, dass die Soldaten nicht warten müssen, bis sie beschossen werden, sondern selbst die Offensive ergreifen können, wenn sie erkennen, dass ein Angriff unmittelbar bevorsteht.

Die Anwendung von Gewalt gehört von Anfang an zu den Optionen, die in dem Mandat der Vereinten Nationen und des Deutschen Bundestages vorgesehen sind. Eingeschränkt wird es von der Beachtung der "Verhältnismäßigkeit" der Mittel. Anschläge auf die Bundeswehr waren in den ersten Jahren verhältnismäßig selten. Die Wahrscheinlichkeit, in einen Hinterhalt der Taliban zu geraten, ist nun verhältnismäßig hoch. Also folgt die Befehlslage nun der veränderten Einsatzsituation.

Das bedeutet jedoch weiterhin, dass der Einsatz massivster Waffensysteme kaum in Betracht kommt. Schwere Mörser gehören zwar zum bereitstehenden Instrumentarium. Weil beim Artilleriebeschuss aber nur zu leicht unbeteiligte Zivilisten getötet werden können, sehen die deutschen Befehlshaber bislang davon ab, auf sie zurückzugreifen.

"Wer uns angreift, wird vernichtet"

Die vollmundigen Ankündigungen aus Berlin "Wer uns angreift, wird vernichtet", dürfen die deutschen Soldaten auch weiterhin nicht dazu verleiten, flüchtenden Taliban in den Rücken zu schießen. Aber die Einsatztaktik kann es durchaus verlangen, potenziellen Angreifern nachzusetzen statt sie einfach ziehen und einen neuen Hinterhalt aufbauen zu lassen.

Entsprechende Vorschläge bekam die Ministeriumsspitze am Donnerstag von den Fachreferaten auf den Tisch gelegt. Die genauen Formulierungen werden unter Verschluss gehalten, um den Taliban nicht zu intensive Einblicke in die deutsche Taktik zu gewähren.

Doch bereits am Morgen hatte Verteidigungsminister Franz Josef Jung den Kern der Überarbeitungen klar gemacht: "Wir wollen natürlich unseren Soldaten auch die Rechtssicherheit geben, die sie brauchen, um solche Kampfsituationen bestehen zu können."

Damit ist die tödliche Gefahr, von der die Deutschen in Afghanistan bedroht sind, nur erfasst, nicht verringert. Erst am 23. Juni waren drei junge Deutsche nahe Kundus ums Leben gekommen, als sie während eines Gefechtes bei einem Ausweichmanöver mit ihrem Transportpanzer in ein Flussbett stürzten. "Sie waren gute Soldaten und echte Patrioten", sagte Jung bei einer Trauerfeier in Bad Salzungen, dem thüringischen Heimatstandort der Getöteten.

Jung wörtlich: "Die Hauptgefreiten Martin Brunn, Alexander Schlernick und Oleg Meiling starben bei einem Auftrag, der das Leben anderer schützen sollte. Der gewaltsame Tod dieser drei jungen Menschen konfrontiert uns alle mit der Frage nach dem Sinn dieses Einsatzes in Afghanistan."

Jung sah den Sinn darin, die Sicherheit in Deutschland zu schützen. "Diejenigen, die jetzt an Rückzug denken, würden Afghanistan wieder in die Hände der Taliban geben." Genau das wollten die Taliban erreichen, und genau das dürfe Deutschland im Interesse seiner eigenen Sicherheit nicht zulassen.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel stellte sich in einer Regierungserklärung hinter den Afghanistan-Einsatz: "Wir werden vor dieser Aufgabe nicht weglaufen, sondern wir werden sie Stück für Stück erfüllen", sagte die Regierungschefin im Bundestag.

USA startet Militärschlag

Die amerikanischen Streitkräfte starteten im Süden Afghanistans einen überraschenden und mit über 4000 beteiligten Soldaten auch herausragend massiven Militärschlag.

Viele Taliban wurden in Gebieten, die sie bislang vollständig zu kontrollieren glaubten, regelrecht überrumpelt. Mit der Operation "Chandschar" ("Schwertstreich") soll die Provinz Helmand rechtzeitig vor den afghanischen Präsidentschaftswahlen den Taliban entrissen werden.

Am Abend stimmte auch der Bundestag einer erneuten Ausweitung des deutschen Afghanistan-Einsatzes zu: Nun sollen Awacs-Aufklärungsflugzeuge mit rund 300 weiteren Bundeswehrsoldaten den afghanischen Luftraum überwachen und den rasant gewachsenen Luftverkehr koordinieren.

(RP)
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