Klimakonferenz in Glasgow Schulze sieht Fortschritte bei Klimaverhandlungen

Glasgow · Bundesumweltministerin Svenja Schulze ist nach den Ampel-Verhandlungen nach Glasgow gereist, um an der Klimakonferenz teilzunehmen. Sie gibt sich zuversichtlich, kurz vor dem Ende des internationalen Treffens noch Durchbrüche zu erreichen – doch zuerst muss sie dort gegen ein Comeback der Atomkraft ankämpfen.

 Die geschäftsführende Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD, Mitte) an diesem Donnerstag in Glasgow. 

Die geschäftsführende Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD, Mitte) an diesem Donnerstag in Glasgow. 

Foto: dpa/Christoph Soeder

Svenja Schulze (SPD) kommt in diesen Tagen aus Verhandlungsrunden gar nicht mehr heraus. Erst die Ampel-Gespräche in Berlin in kleinen Arbeitsgruppen, jetzt der ganz große Kreis: Die Noch-Bundesumweltministerin ist am Donnerstag im schottischen Glasgow angekommen und verhandelt bis zum Ende der Konferenz mit Delegationen aus fast 200 Staaten zu der Frage, wie es die Weltgemeinschaft schaffen kann, die Erderwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts doch noch auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Eine Mammutaufgabe, deren Lösung derzeit in weiter Ferne liegt – und die Uhr tickt. Was die künftige Bundesregierung dazu beitragen kann und will? Dazu sagt Schulze zunächst nichts.

Denn der erste öffentliche Termin führt Schulze an diesem Donnerstag in eine Runde europäischer Verbündeter, die mehr oder minder verzweifelt gegen eine Renaissance der Atomkraft ankämpfen. Atomstrom erfreut sich wegen der guten CO2-Bilanz in vielen Ländern großer Beliebtheit, etwa in den USA und Frankreich. Auf dem riesigen Messegelände in Glasgow sind zahlreiche Atom-Lobbyisten unterwegs, die ihre neuen Reaktortechnologien anpreisen. Für Deutschland, das bis Ende kommenden Jahres vollständig aus der Atomkraft ausgestiegen sein wird, kann das vor allem ein Wettbewerbsproblem werden. Atomstrom ist international in großen Mengen verfügbar, energieintensive Industrie könnte in anderen Ländern ein dankbarer Abnehmer sein.

Schulze hält dagegen: „Atomkraft kann keine Lösung für die Klimakrise sein“, sagt sie in der Runde mit Vertretern aus Luxemburg, Dänemark, Österreich und Portugal, die das auch so sehen. „Sie ist zu riskant, zu langsam und zu teuer für die entscheidende Dekade im Kampf gegen den Klimawandel." Man habe mit erneuerbaren Energien eine gute Alternative. Und Schulze ergänzt, weil auch bei Klimaschutzaktivisten die Atomtechnologie Anklang findet: „Kein Klimaaktivist sollte sich auf Atomkraft stützen.“ Erneuerbare Energiequellen wie Wind und Sonne hätten keine Risiken, Investitionen sollten dorthin fließen, so Schulze.

Hintergrund für den kurzen Auftritt ist das Ringen innerhalb der EU um die sogenannte Taxonomie. Damit sollen Technologien ein Label als nachhaltig und unschädlich erhalten, damit die Finanzströme verstärkt in grüne Technologien geleitet werden. Mehrere Staaten unter Führung Frankreichs wollen aber Atomkraft trotz der ungelösten Atommüll-Endlagerfrage als nachhaltig einstufen lassen, was Konsequenzen für den Einsatz von EU-Mitteln haben könnte. Auch Erdgas soll dabei als nachhaltig eingestuft werden, da es bei der Verbrennung etwa halb soviel Klimagase erzeugt, wie Kohle. Deutschland und die vier weiteren Staaten haben sich gegen eine EU-Einstufung der Atomenergie als nachhaltig ausgesprochen. Es zeigt: Auch die EU spricht in Glasgow längst nicht mit einer Stimme, auch wenn die Gruppe das nach außen gerne vorgibt.

Als Schulze nach der Pressekonferenz das Podium am deutschen Pavillon verlässt und weite Flure zu den Delegationsbüros entlang eilt, verliert sie doch noch einige Sätze zu den Ampelverhandlungen in Berlin. „Wir sind in sehr, sehr guten Verhandlungen in Berlin. Das ist eine sehr vertrauensvolle und diskursive Atmosphäre. Und deswegen bin ich zuversichtlich, dass wir das auch zu einem Ergebnis bringen“, so Schulze. Dass Deutschland mit der neuen Koalition auch tatsächlich auf den 1,5-Grad-Pfad kommen kann, was Kritiker bisher anzweifeln, sieht Schulze als gemeinsames Ziel von SPD, Grünen FDP an. Ob es aber mit den Maßnahmen wirklich reichen wird, beantwortet sie im Eilschritt nicht. Es sei schon im Sondierungspapier erklärtes Ziel der drei Parteien, die Erderwärmung bei 1,5 Grad begrenzen zu wollen, jetzt sei es eine Frage der Maßnahmen. Schulze weiter: „Darüber haben alle Gruppen verhandelt und jetzt wird es zusammengetragen. Und es ist erstmal gut, dass wir in den Verhandlungen so gut miteinander umgehen und es vertrauensvoll klappt.“

In Glasgow schaut man jedoch genau darauf, wie sich die mögliche Ampelkoalition beim Klimaschutz aufstellt. Als einflussreiches Land im Kreis der Industriestaaten und als einer der größten Emittenten Europas hat Deutschlands Stimme Gewicht. Ohne einen Koalitionsvertrag in der Tasche ist Schulzes Einfluss jedoch etwas begrenzter. Ob die deutsche Delegation im Kreis der EU-Staaten also zu einem Erfolg beitragen kann, ist offen.

Schulze selbst gibt sich jedenfalls zuversichtlich. „Es ist immer schwierig auf diesen COPs, das ist ja grundsätzlich so“, sagt die SPD-Politikerin im Gehen. „Es ist im Moment nicht so, dass man große Bremser sieht, sondern, dass die Fragen einfach sehr komplex sind.“ Es sei nun wichtig, Finanzierungsfragen wirklich auch zu lösen, sagt Schulze. Das sei ein berechtigtes Anliegen der Entwicklungsländer. Auf die Frage, ob es eine Verlängerung über das geplante Ende an diesem Freitag hinaus gibt, sagt sie: „Gab es schonmal eine COP ohne Verlängerung?“ Dann fügt sie an: „Wir sind noch zuversichtlich, dass wir das bis morgen hinbekommen.“ Der deutsche Pavillon wird an diesem Freitag jedenfalls abgebaut – egal ob die Verhandlungen am Wochenende noch fortgesetzt werden oder nicht.

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