Die Insassen von Azouli Brutale Folter in ägyptischem Militärgefängnis

London · Nachdem Regierungschef Mohammed Mursi gestürzt worden war, übernahm das Militär die Macht in Ägypten. Und es verfolgte gnadenlos die Muslimbrüder. Eine britische Zeitung berichtet nun von einem geheimen Gefängnis der Streitkräfte, in dem die Gefangenen brutal gefoltert werden – am Rechtssystem des Landes vorbei.

 Zwei Mitglieder der Muslimbrüder vor Gericht.

Zwei Mitglieder der Muslimbrüder vor Gericht.

Foto: dpa, kef cs

Nachdem Regierungschef Mohammed Mursi gestürzt worden war, übernahm das Militär die Macht in Ägypten. Und es verfolgte gnadenlos die Muslimbrüder. Eine britische Zeitung berichtet nun von einem geheimen Gefängnis der Streitkräfte, in dem die Gefangenen brutal gefoltert werden — am Rechtssystem des Landes vorbei.

Nach den Recherchen des britischen "Guardian" werden in dem Gefängnis Azouli, dass sich auf einer Militärbasis befinde, hunderte Gefangene ohne Verurteilung festgehalten und systematisch gefoltert. Die Zeitung stützt sich auf Aussagen von ehemaligen Gefangenenen, Angehörigen, Anwälten und auch Menschenrechtlern etwa von Amnesty International. Demnach existiere die Praxis der Folter in dem Geheimgefängnis seit Ende Juli 2013, also nach dem Sturz Mursis.

Human Rights Watch nenne die Praxis eine "beispiellose Unterdrückung in der modernen ägyptischen Geschichte", wie die Zeitung schreibt. Bis zu 400 Insassen würden in Azouli festgehalten. Die Gefangenen würden regelmäßig mit Elektroschocks gequält, geschlagen und nackt über Stunden an ihren Handgelenken aufgehangen, in der Absicht, dass sie Informationen preis geben oder ein Geständnis ablegen. All dies geschehe außerhalb des Rechtssystems, weil sich das Gefängnis auf militärischem Gelände befinde. "Wenn wir die zivilen Strafverfolgungsbehörden darum bitten, Gefangene in Azouli zu befragen, sagen sie, dass sie dort keinerlei Zuständigkeit haben", sagte Ahmed Helmy, ein Anwalt, der einige der Gefangenen, die aus Azouli in ein staatliches Gefängnis gebracht worden waren, vertritt.

"Wenn du in Azouli stirbst, dann weiß das niemand"

Unter den Gefangenen befänden sich Muslimbrüder, darunter viele Salafisten, Menschen, die sich an den Protesten gegen das Regime beteiligten, aber auch solche, die einfach auf Verdacht aufgegriffen worden waren. Erst mittels Folter habe man bei diesen herausfinden wollen, ob sie denn an irgendetwas beteiligt waren oder nicht, wie Amnesty International laut dem Bericht sagt. Auch ein Kind und ein Journalist sollen sich in der Haftanstalt aufhalten.

"Es ist nicht wie ein normales Gefängnis", sagte Ayman, der Ende 2013 in das Gefängnis kam, der britischen Zeitung. "Es gibt keine Dokumentation darüber, die besagt, dass du da bist. Wenn du in Azouli stirbst, dann weiß das niemand." Ein weiterer früherer Insasse, den die Zeitung befragte, war der junge Aktivist Khaled. Er erzählte von den brutalen Foltermethoden. "Sie benutzten zwei Elektroschocks", sagte er.

"Sie brachten ein Handtuch und tränkten es mit Wasser, dann legten sie es auf mein Gesicht, damit ich nicht mehr atmen kann. Währenddessen schlug mich einer der Beamten weiter." Nach vier Stunden sei sein Gesicht geschwollen gewesen, seine Augen habe er nicht mehr öffnen können. "Ich hatte eine Wunde an meinem Kinn, die so tief war, dass ein Soldat seinen Finger in die Wunde legen konnte."

Verbindung zu Präsident al-Sissi?

Die drei vom "Guardian" befragten früheren Gefangenen, die getrennt interviewt worden sind, berichten immer wieder davon, wie ihnen die Augen verbunden und sie ununterbrochen geschlagen worden sind. Sie erzählten von dem dritten Stock, in dem die meisten Gefangenen untergebracht worden seien, und sie erzählten von einem separaten Gebäude, dass einen kurzen Fahrtweg entfernt sei und wo jeden Tag zehn Gefangene zum Verhör mit Folter gebracht würden.

Auch wenn sie nicht genau wüssten, von wem sie befragt worden waren, so seien sich die Befragten aber sicher gewesen, dass es Offiziere des Militärgeheimdienstes gewesen seien, der bis 2012 von Abdel Fatah al-Assisi, dem jetzigen Präsidenten, geleitet wurde. "Sie kümmern sich nicht um das Recht. Sie halten Menschen über 90 Tage lang fest und unterwerfen sie einer andauernden Folter ohne jegliche juristische Kontrolle", sagt auch Mohamed Elmessiry von Amnesty International.

Dass einige wenige der Folter entkommen und in zivile Gefängnisse verlegt worden sind, erklären sie sich damit, dass die Verantwortlichen das Interesse an ihnen verloren hätten und sich lieber anderen Gefangenen widmeten. Amnesty International geht davon aus, dass etwa 20 Insassen freigelassen worden seien, und Anwälte sprechen von ein paar, die verlegt und dann wegen Terrorismus angeklagt worden seien, weil die Geständnisse aus ihnen herausgeprügelt worden seien.

(das)
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