„Zeit wird knapp“ Brexit-Verhandlungen kommen nicht vom Fleck

London · Zwischen der EU und Großbritannien herrscht derzeit Stillstand - obwohl Premierminister Boris Johnson versprach, Tempo machen zu wollen. Die Gefahr eines harten Brexit zum Jahresende steigt mit jedem Tag.

 Michel Barnier, EU-Unterhändler im Brexit-Streit, warnt die Briten.

Michel Barnier, EU-Unterhändler im Brexit-Streit, warnt die Briten.

Foto: AP/Yves Herman

Angesichts des Stillstands bei den Gesprächen zwischen der EU und Großbritannien steigt die Gefahr eines harten Brexit ohne Freihandelsabkommen zum Jahresende. Es bleibe nur noch sehr wenig Zeit für eine Einigung, mahnte EU-Unterhändler Michel Barnier am Freitag nach der jüngsten Verhandlungsrunde in Brüssel. Bis spätestens Ende Oktober müsse eine Vereinbarung stehen, damit der Ratifizierungsprozess rechtzeitig abgeschlossen werden könne.

Zugleich äußerte sich der Franzose "enttäuscht, besorgt und auch überrascht" darüber, dass die Gespräche keine substanziellen Fortschritte gemacht hätten. Dabei habe Premierminister Boris Johnson doch zugesagt, im Sommer für mehr Tempo zu sorgen. Barniers britischer Gegenpart David Frost räumte ein, dass eine Einigung schwierig werde: "Die Zeit wird für beide Seiten knapp."

Insbesondere bei den Streitpunkten Subventionen und Fischereirechte hakt es. London habe trotz der von der EU gezeigten Flexibilität keine Bereitschaft gezeigt, sich zu bewegen, sagte Barnier. Aus der britischen Verhandlungsdelegation wurden die Vorwürfe zurückgewiesen. Schuld an dem Stillstand sei vielmehr die EU, die ihre Position in den beiden Streitfragen durchsetzen wolle, bevor andere Themen behandelt würden. "Wir sind bereit, über alles zu sprechen. Wir sind es nicht, die die Gespräche verschleppen", sagte ein ranghohes Mitglied der britischen Verhandlungsdelegation, das namentlich nicht genannt werden wollte.

Die Hoffnungen richten sich nun auf eine weitere Brexit-Verhandlungsrunde, die für die zweite Septemberwoche in London angesetzt ist. Auf einem für Mitte Oktober anberaumtem Gipfeltreffen wollen die EU-Staaten eine Einigung zumindest in Grundzügen auf dem Tisch haben, damit der Ratifizierungsprozess rechtzeitig abgeschlossen werden kann.

Großbritannien hat die Europäische Union am 31. Januar verlassen. Die Gespräche über das künftige Verhältnis stecken seit Monaten fest. Bis zum Ende des Jahres gilt eine Übergangsfrist, in der maßgebliche Regelungen weiter Bestand haben und bis zu deren Ende ein neues Freihandelsabkommen vereinbart werden soll. Ohne eine Regelung sind ab 2021 nur noch Handelsbeziehungen wie mit Drittländern möglich. Deshalb wird ein massiver Einbruch im Warenaustausch erwartet. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) warnte bereits vor Chaos bei den wirtschaftlichen Beziehungen zu Großbritannien im kommenden Jahr.

(cpas/Reuters)
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