Brexit-Chaos Rufe nach Mays Rücktritt werden lauter

London · Alle Zugeständnisse von Theresa May stoßen auf taube Ohren. Es könnten ihre letzten Tage im Amt sein. Die Regierung wies derartige Gerüchte zurück. Allerdings erklärte die Unterhausvorsitzende Andrea Leadsom ihren Rücktritt - aus Resignation.

Brexit: Rufe nach Mays Rücktritt werden lauter - Rücktritt Andrea Leadsom
Foto: dpa/House Of Commons

Die britische Premierministerin Theresa May steht nach dem Scheitern ihres jüngsten Kompromissversuchs im Brexit-Streit vor dem politischen Aus. Immer lauter wurden am Mittwoch die Rufe von allen Seiten, May solle ihr umstrittenes Brexit-Abkommen mit der EU verloren geben und zurückzutreten. Sie selbst gab sich kämpferisch und warb vor dem Unterhaus einmal mehr für ihren Brexit-Kurs. Abgeordnete ihrer Konservativen Partei sägten parallel dazu aber bereits an ihrem Stuhl.

Einen Rücktritt gab es am Mittwochabend von der Unterhausvorsitzenden Andrea Leadsom zu vermelden. Leadsom glaube nicht mehr daran, dass der Kurs der Regierung zur Umsetzung des Brexit-Referendums über den Austritt Großbritanniens aus der EU führen werde, erklärte die Tory-Abgeordnete im Kurzbotschaftendienst Twitter. Die überzeugte Brexit-Befürworterin war in Mays Kabinett für die Beziehungen zum Unterhaus zuständig.

May will nach drei gescheiterten Anläufen in den vergangenen Monaten das Parlament in London Anfang Juni zum vierten Mal über das Brexit-Abkommen abstimmen lassen. Um vielleicht doch noch eine Mehrheit dafür zustande zu bekommen, machte sie am Dienstag eine Reihe von Zugeständnissen. Sie stellte unter anderem in Aussicht, dass das Parlament auch über ein zweites Brexit-Referendum abstimmen könne, allerdings erst wenn es dem vorgelegten Abkommen zustimme. Abgeordnete der oppositionellen Labour Party und ihrer eigenen Partei lehnten ihr Angebot aber postwendend ab.

„Die Rhetorik hat sich vielleicht geändert, aber das Abkommen nicht“, sagte Labour-Chef Jeremy Corbyn. Die Fraktion der Brexit-Hardliner in Mays Konservativer Partei hat ebenfalls genug von der Premierministerin und will sie mit einem der ihren wie dem ehemaligen Außenminister Boris Johnson ersetzen.

Auch May ist sich bewusst, dass ihre Tage als Premierministerin über kurz oder lang gezählt sind. Innerhalb einer gewissen Zeit werde ein anderer Premierminister vor ihnen stehen, sagte sie den Abgeordneten am Mittwoch. Dennoch will sie ihren vierten Abstimmungsversuch noch wagen. Die Gesetzvorlage dafür werde am Freitag veröffentlicht, sagte sie. „Wir müssen den Brexit durchziehen.“ Wenn das Parlament ihr Abkommen wieder ablehne, stecke das Land endgültig in einer Sackgasse.

May hatte bereits angekündigt, ihren Rücktritt nach diesem nächsten Brexit-Votum in der ersten Juni-Woche einzuleiten. n. Dennoch könnte es vielleicht schneller gehen. Im zuständigen Parteiausschuss wurde am Mittwoch darüber beraten, ob erneut ein Misstrauensantrag gegen May gestellt werden kann, möglicherweise bereits in den kommenden Tagen.

Ein solcher Antrag aus Mays eigenen Reihen war im Dezember gescheitert, weshalb es nach den Parteiregeln eigentlich erst nach einem Jahr einen neuen Versuch geben darf. Der Abgeordnete Nigel Evans aus dem Brexit-Lager sagte, er wolle aber eine Änderung der Regeln erwirken. „Es gibt zunehmende Unzufriedenheit darüber, wie May damit (dem Brexit) umgegangen ist“, sagte er. Es brauche einen Neuanfang.

Laut BBC kam es aber am Mittwoch noch zu keiner Änderung. May werde am Freitag mit dem Vorsitzenden des einflussreichen 1922-Ausschusses, Graham Brady, zusammentreffen, berichtete die britische Nachrichtenagentur PA. Spekulationen über einen unmittelbar bevorstehenden Rücktritt wurden zurückgewiesen.

(lhen/dpa)
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