Verhandlungen zu Handelsabkommen Großbritannien laut Johnson nicht auf Handelsabkommen mit EU angewiesen

Brüssel/London · Die Zeit für ein Handelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Großbritannien läuft langsam ab. Die Unterhändler konnten sich noch immer nicht einigen. Premierminister Boris Johnson ließ jetzt verlauten, sein Land sei nicht zwingend auf ein Handelsabkommen angewiesen.

In der Endphase der Brexit-Verhandlungen hat Großbritannien der EU signalisiert, dass das Land auch ohne ein Handelsabkommen auskommen könne. Premierminister Boris Johnson ließ am Montag über sein Büro mitteilen, er werde keine Vorschläge akzeptieren, die die Hoheitsrechte des Landes unterhöhlten. Falls die EU die Souveränitätsrechte des Landes nicht akzeptiere, werde sich Großbritannien mit einem ähnlichen Status der Handelsbeziehungen zur EU begnügen, wie ihn etwa Australien innehabe. Der Premier sei zuversichtlich, dass sein Land auch dann "florieren" werde.

In der EU sieht man die Zeit für die Verhandlungen in Brüssel verrinnen. Es werde "furchtbar eng" und sei "vielleicht schon zu spät" für eine rechtzeitige Übereinkunft vor 2021, warnte ein ranghoher EU-Vertreter, der nicht genannt werden wollte. Als ein Stolperstein gilt das geplante britische Binnenmarktgesetz. Es würde London die Möglichkeit geben, die im Brexit-Vertrag bereits festgeschriebene Regelung auszuhebeln, nach der in der britischen Provinz Nordirland auch künftig EU-Zoll-Regeln gelten sollen. Die EU fordert, die Pläne fallenzulassen, da mit dem Gesetz internationales Recht gebrochen würde.

Nach dem EU-Austritt ist Großbritannien bis Ende 2020 in einer Übergangsphase, in der noch EU-Regeln gelten. Um die künftigen Beziehungen samt Freihandelsabkommen wird seit Monaten gerungen - bislang ohne Ergebnis, weshalb die Wirtschaft ab 2021 Störungen der Handelsbeziehungen und Zollschranken befürchtet.

Als größte Knackpunkte in den Verhandlungen gelten die Fischerei-Rechte sowie Garantien für einen fairen Wettbewerb. Wie aus diplomatischen Kreisen der EU verlautete, fehlten in diesen Streitfragen für beide Seiten akzeptable Lösungsvorschläge. "Großbritannien muss sich entscheiden", hieß es weiter. Der britische Unterhändler David Frost und sein EU-Kollege Michel Barnier seien zum Start einer neuen Gesprächsrunde in Brüssel nicht soweit, wie sie gehofft hätten.

Barnier schrieb auf Twitter, die EU-Seite bleibe „entschlossen, geduldig, respektvoll“. Man wolle für die Zukunft eine offene, aber faire Zusammenarbeit. EU-Kommissionsvizepräsident Maros Sefcovic sagte dem Online-Portal Politico: „Wir sind bereit für einen ehrgeizigen Deal und drehen jeden Stein einzeln um, um zu sehen, wie wir es hinbekommen.“ Zwar wolle die EU kein Abkommen um jeden Preis, aber: „Wir wollen einen Deal, wir sind bereit zu einem Deal.“ Jede verbleibende Minute müsse dafür genutzt werden.

Der britische Unterhändler David Frost hatte bereits am Sonntag erklärt: „Es gab einige Fortschritte in eine positive Richtung in den letzten Tagen.“ Es gebe nun „größtenteils einen gemeinsamen Vertragstext, obwohl es natürlich weiterhin bei signifikanten Punkten noch keine Einigung gibt.“

(sed/Reuters/dpa)
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