Nächste Runde im Brexit-Drama Boris Johnson will Neuwahlen noch im Dezember

London · Der britische Premierminister Boris Johnson hat sich für Neuwahlen am 12. Dezember ausgesprochen. Das Parlament müsse dem zustimmen, erklärte er am Donnerstag. Dies könnte den Brexit noch weiter hinauszögern.

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Der britische Premierminister Boris Johnson hat sich für Neuwahlen am 12. Dezember ausgesprochen. Wenn das Parlament tatsächlich mehr Zeit haben wolle, um die Brexit-Gesetze zu studieren, könne es sie haben, erklärte Johnson am Donnerstag in einer im Fernsehen übertragen Ansprache. "Aber sie müssen dann einer Wahl am 12. Dezember zustimmen. Das ist der weitere Weg."

Das Parlament müsse in diesem Fall am 6. November aufgelöst werden. Der EU-Austritt könnte sich noch länger hinziehen, sagte Johnson. Für Neuwahlen braucht Johnson die Zustimmung von zwei Dritteln der Abgeordneten. Während die Oppositionsparteien SNP und die Liberaldemokraten bereits vorsichtig eine mögliche Zustimmung signalisiert hatten, kamen aus der Labour-Partei unterschiedliche Signale. Ohne Stimmen eines Teils der Labour-Abgeordneten ist eine Neuwahl nicht möglich. Zu einer Abstimmung im Parlament könnte es bereits am Montag kommen.

Der Premier hatte im Streit um den EU-Austritt Großbritanniens schon im September einen Antrag auf Neuwahlen gestellt, bekam dafür aber keine Mehrheit. Die Labour-Partei als stärkste Oppositionskraft hatte erst diese Woche erklärt, Neuwahlen werde sie erst zustimmen, wenn die Gefahr eines Brexits ohne vertragliche Regelung vom Tisch sei.

Ein Sprecher von EU-Ratspräsident Donald Tusk wollte Johnsons Ankündigung am Donnerstagabend nicht kommentieren.

Eine weitere Voraussetzung für eine Neuwahl ist die Zustimmung der 27 anderen EU-Staaten, die Frist für einen geregelten Austritt Großbritanniens aus der EU zu verlängern. Sie läuft nach derzeitigem Stand am 31. Oktober ab. Es herrsche grundsätzlich wohl Einigkeit über die Verschiebung, aber noch nicht über deren Dauer, hieß es am Donnerstag in Brüssel. Johnson rief sein Kabinett in der Downing Street in London zusammen, um das weitere Vorgehen zu diskutieren.

Hintergrund ist der Versuch, mit Hilfe einer Neuwahl die Mehrheitsverhältnisse im Parlament zu verändern und dann - mit möglichst eigener Mehrheit - den Brexit-Deal in britisches Recht zu gießen. Bisher führt Johnson eine Minderheitsregierung, der bereits zahlreiche schwere Abstimmungsniederlagen zugefügt wurden.

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Vor allem in Nordirland regte sich erheblicher Widerstand die Pläne Johnsons. Der Deal mit der EU sieht im Kern vor, dass eine mehr oder wenige durchlässige Zollgrenze zwischen Nordirland und der britischen Hauptinsel errichtet werden muss. Damit würde Nordirland zwar auf dem Papier mit dem Rest Großbritanniens aus der EU-Zollunion austreten. De facto aber bliebe Nordirland weiterhin an EU-Handelsrecht gebunden.

Die probritischen Loyalisten fühlen sich von Johnson deswegen im Stich gelassen. Aus der Downing Street kamen unterschiedliche Angaben darüber, ob es zu Zollkontrollen zwischen Nordirland und dem übrigen Großbritannien kommen werde. Der Fraktionschef der nordirischen Loyalisten-Partei DUP, Nigel Dodds, sagte im Parlament an die Adresse Johnsons und dessen Brexit-Minister Stephen Barclay: „Sie laufen Gefahr, hier mit dem, was sie den Unionisten antun, echten Schaden anzurichten, beim Belfast-Agreement (Karfreitagsabkommen), beim St.-Andrews-Agreement, bei den politischen Institutionen und für die politische Stabilität.“

Der Polizeichef von Nordirland, Simon Byrne, hatte zuvor davor gewarnt, dass es zu von Loyalisten angefachten Unruhen kommen könnte, sollte es zu einem Brexit-Deal kommen, der die Union zwischen Großbritannien und Nordirland bedrohe. Es gebe unter den probritischen Loyalisten das Potenzial „die Gewalt auf die Straße zurückzubringen“. In Nordirland herrschte Bürgerkrieg zwischen den protestantischen, pro-britischen Loyalisten und den proirischen Katholiken. Die Unruhen wurden durch das Karfreitagsabkommen von 1998 weitgehend eingedämmt.

Von Seiten der EU kam am Donnerstag weitere Ungemach für die Downing Street. Für den Fall einer mehrmonatigen Verschiebung des Brexits muss Großbritannien wohl noch einmal einen neuen EU-Kommissar benennen. Die gewählte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte am Donnerstag in Helsinki, dies gelte, falls Großbritannien zum Amtsantritts ihres Teams noch Mitglied der Europäischen Union sei.

EU-Ratschef Donald Tusk sowie das Europaparlament sind für eine neue Frist bis Ende Januar 2020. Sollte vorher die Ratifizierung eines Austrittsvertrags gelingen, könnte Großbritannien flexibel vor Fristende ausscheiden. Diese Lösung unterstützten am Donnerstag die Fraktionschefs im Europaparlament in einer Erklärung.

Theoretisch könnte der Austritt also auch bei einer Verschiebung noch vor von der Leyens Amtsantritt gelingen. Dieser wurde vom 1. November um mindestens einen Monat verschoben, weil von der Leyen noch drei von 26 Kommissaren fehlen. Die Anwärter müssen Anhörungen im Europaparlament durchlaufen, das anschließend noch einmal über das gesamte Personalpaket abstimmt.

  Boris Johnson, Premierminister von Großbritannien, spricht im britischen Unterhaus.

Boris Johnson, Premierminister von Großbritannien, spricht im britischen Unterhaus.

Foto: dpa/House Of Commons

Die britische Regierung hatte mit Blick auf das Austrittsdatum 31. Oktober bewusst auf die Nominierung eines Kommissars verzichtet. Der derzeitige Kommissar aus Großbritannien ist Julian King, er ist für Sicherheit zuständig.

(cbo/dpa/rtr/afp)
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