Präsidentschaftswahlen in Brasilien Der Populist und die Pfingstkirchen

Rio de Janeiro · Wenn Rechtsaußen Jair Bolsonaro brasilianischer Präsident wird, erhalten evangelikale Prediger direkten Einfluss auf die Staatsspitze.

 Präsidentschaftskandidat Jair Bolsonaro bei einer Pressekonferenz im Wahlkampf.

Präsidentschaftskandidat Jair Bolsonaro bei einer Pressekonferenz im Wahlkampf.

Foto: AP/Leo Correa

In seinem Kampf um ein politisches Wunder besuchte Fernando Haddad am Tag der „Nossa Senhora Aparecida“, der brasilianischen Landesheiligen und Gottesmutter Maria, einen katholischen Gottesdienst. Bislang war der Präsidentschaftskandidat der linksgerichteten Arbeiterpartei PT nicht gerade als regelmäßiger Kirchgänger bekannt, aber in diesem Wahlkampf in Brasilien ist alles anders.

Begleitet wurde Haddad von der kommunistischen Vize-Präsidentschaftskandidatin Manuela D‘Ávila. Was vor ein paar Jahrzehnten noch undenkbar war, spielte sich anschließend ab: Der ehemalige Bürgermeister von São Paulo versprach, dass er nach einem Wahlsieg nach den Prinzipien der katholischen Kirche Politik machen werde.

Denn Haddad und die katholische Kirche haben einen mächtigen Gegner: Die evangelikalen Pfingstkirchen haben sich hinter den rechtspopulistischen Kandidaten Jair Bolsonaro gestellt. Der entspricht mit seinen Wahlkampfversprechen nahezu allen Grundüberzeugungen der freien evangelikalen Kirchen: Nein zur Abtreibung, Homosexualität ist eine Sünde. Falls er gewinnen sollte, werde er allen Organisationen die Fördermittel streichen, die Schwangerschaftsabbrüche unterstützen, ließ Bolsonaro wissen.

Der Wahlkampf in Brasilien ist auch ein Kampf um Einfluss und Marktanteile. Die freien evangelikalen Pfingstkirchen sind inzwischen wahre Umsatzmaschinen. Die „Universalkirche des Königreichs Gottes“, 1977 in Rio de Janeiro gegründet, hat mehrere Millionen Mitglieder. Ihr Gründer Edir Macedo ist zum Milliardär aufgestiegen, der die Gottesdienste von religiösen Showmastern moderieren lässt, die am laufenden Band erfolgte Wunder präsentieren.

Die „Weltkathedrale des Glaubens“ in der brasilianischen Metropole Rio de Janeiro bedeckt eine Gesamtgrundstücksfläche von 72.000 Quadratmetern und hat einen eigenen Hubschrauberlandeplatz. Zu den Gottesdiensten in der rund 200 Millionen Dollar teuren Arena strömen mehrmals wöchentlich bis zu 14.000 Menschen. Was die Prachtbauten angeht, können es die Evangelikalen längst mit den katholischen Gebäuden aufnehmen. Da­rüber hinaus gibt es bis in die letzten Viertel der kleinsten brasilianischen Städte Niederlassungen der evangelikalen Kirchen.

 Macedo, der von New York aus sein riesiges Imperium steuert, verlangt von den Mitgliedern seiner Kirche mindestens ein Zehntel ihres Einkommens als Spende. Das ist ein glänzendes Geschäft: Schätzungen zufolge spülen die Gläubigen so umgerechnet jährlich rund 1,4 Milliarden in die Kassen. Hinter den Kulissen tobt ein heftiger Streit darum, ob diese Einnahmen versteuert werden sollen.

Macedo stellte sich im Wahlkampf hinter Bolsonaro, der in seinen Wahlkampfspots Bibelzitate präsentiert, die die Gläubigen aus den evangelikalen Kirchen kennen. Mit einem Wahlsieg Bolsonaros hätte Macedo dann erstmals direkten Einfluss auf das Staatsoberhaupt, auch wenn Haddads Arbeiterpartei PT in der Vergangenheit unter den Präsidenten Lula da Silva und Dilma Rousseff bereits mit den Pfingstkirchen zusammenarbeitete.

Und was in Brasilien bevorsteht, ist auch in anderen lateinamerikanischen Ländern Trend: Die evangelikalen Kirchen verdrängen die katholische Kirche mit Macht. In Costa Rica scheiterte jüngst ein evangelikaler Prediger nur knapp bei der Präsidentschaftswahl. Ein Bolsonaro-Sieg in Brasilien wäre deshalb ein Dammbruch.

 Zuletzt häuften sich in Brasilien die Übergriffe auf religiöse Einrichtung der Nachfahren afrikanischer Sklaven. Dahinter stecken offenbar radikale Kräfte der Pfingstkirchen, die den afrikanischen Einfluss vehement bekämpfen wollen. Sie griffen auch einmal die katholische Kirche direkt an. Im Jahr 1995 trat ihr Priester Sergio von Helde während eines Fernsehauftrittes ein Modell der „Nossa Senhora Aparecida“ um und schrie: „Kann Gott wirklich mit so einem hässlichen Ding verglichen werden?“ Es war der erste offene Versuch, das Symbol der katholischen Kirche Brasiliens aus dem Weg zu räumen. Damals reagierte die Öffentlichkeit noch entsetzt, und Sergio von Helde musste nach Afrika versetzt werden.

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