Erschossener Kreml-Kritiker Tschetschene gesteht im Mordfall Boris Nemzow

Moskau · Im Fall des ermordeten Kreml-Kritikers Boris Nemzow hat einer der Verdächtigen nach Justizangaben ein "Geständnis" abgelegt. Der Tschetschene Saur Dadajew habe seine Beteiligung an der Tat eingeräumt, sagte die Vorsitzende Richterin Natalja Muschnikowa am Sonntag in Moskau nach Angaben der Nachrichtenagentur Tass.

Boris Nemzow: Moskau gedenkt bei Trauermarsch Boris Nemzow
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Trauermarsch: Moskau gedenkt Boris Nemzow

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Er und ein weiterer Tschetschene wurden wegen Mordes angeklagt und müssen in Untersuchungshaft bleiben, insgesamt wurden in dem Fall fünf Verdächtige festgenommen.

Dadajew und Ansor Gubatschew waren am Samstag in der tschetschenischen Nachbarrepublik Inguschetien festgenommen worden. Dadajew war laut Medienberichten früher stellvertretender Chef einer tschetschenischen Polizeieinheit. Seine Beteiligung sei durch sein Geständnis "bestätigt", sagte Richterin Muschnikowa.

Der mit Dadajew festgenommene Gubatschew soll für einen privaten Sicherheitsdienst in Moskau gearbeitet haben. Er erklärte sich für unschuldig, wurde ebenso wie Dadajew wegen Mordes angeklagt. Auch Gubatschews Bruder und zwei weitere Männer wurden festgenommen und stehen unter Verdacht, sie wurden aber zunächst nicht angeklagt. "Es gibt Beweise für ihre Beteiligung", sagte dessen ungeachtet ein Vertreter der Staatsanwaltschaft.

Inguschetien liegt neben Tschetschenien. In der Nordkaukasus-Region bekämpft die russische Regierung seit Jahren einen islamistischen Aufstand.

Der 55-jährige Nemzow war am Abend des 27. Februar auf einer Brücke vor den Mauern des Kreml im Zentrum Moskaus erschossen worden. Die Ermordung des Regierungsgegners löste in Russland und weltweit Bestürzung aus. Der frühere Vize-Ministerpräsident war einer der prominentesten Widersacher von Staatschef Wladimir Putin und ein entschiedener Kritiker der russischen Ukraine-Politik. Laut Weggefährten arbeitete er an einem Bericht, der die Unterstützung der dortigen Rebellen durch das russische Militär beweisen sollte.

Der frühere FSB-Chef und heutige Abgeordnete Nikolai Kowalew sagte nach den Festnahmen am Samstag, bei den Festgenommenen handele es sich womöglich um Auftragsmörder. Entscheidend sei, die Hintermänner des Verbrechens ausfindig zu machen. Der Kreml hatte die Tat als eine gegen die Regierung gerichtete "Provokation" bezeichnet. Das Ermittlungskomitee nannte den Mord einen "Versuch zur Destabilisierung der politischen Lage im Land".

Die Ermittler untersuchen unter anderem einen islamistischen oder nationalistischen Tathintergrund. Auch Nemzows scharfe Kritik an Russlands Ukraine-Politik nannten sie als ein mögliches Mordmotiv. Der Kreml-Kritiker Alexej Nawalny beschuldigte hingegen die Staatsführung, den Mord in Auftrag gegeben zu haben. Andere Oppositionelle sehen die Regierung zumindest mitverantwortlich für die Tat.

Auch Nemzows Tochter Schanna vermutet den Kreml hinter dem Verbrechen. "Ich bin mir sicher, es war ein politisch motivierter Mord", sagte die 30-Jährige der "Bild am Sonntag". Sie sei überzeugt, dass das Attentat "mit voller Unterstützung der Machthaber begangen wurde. Dass die Täter sicher waren, dass sie nicht bestraft werden". An eine Aufklärung des Verbrechens glaubt Nemzows älteste Tochter nicht: "Irgendjemand wird bestraft werden, aber nicht der wirklich Schuldige."

Der Mord an Nemzow reiht sich ein in eine Vielzahl ähnlicher Verbrechen, denen in den vergangenen Jahren Oppositionelle wie die Menschenrechtsaktivistin Natalja Estemirowa oder die Journalistin Anna Politkowskaja zum Opfer fielen.

(afp)
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