Demontage von Londons Bürgermeister Boris Johnsons Interview-Debakel

London · Londons Bürgermeister Boris Johnson ist ein Typ, der so wirkt, als hätte er immer die richtige Antwort parat. Weil er aber in einem BBC-Interview überhaupt keine mehr fand, ist sein Stern am Sinken. Ambitionen auf das Amt des Premierministers dürften dahin sein.

 Im Interview mit der BBC hat sich Londons Bürgermeister Boris Johnson blamiert.

Im Interview mit der BBC hat sich Londons Bürgermeister Boris Johnson blamiert.

Foto: dpa, Scott Heavey, Pool

Eddie Mair dürfte seit ein paar Tagen einen neuen Freund fürs Leben haben - er heißt David Cameron und ist britischer Premierminister. Denn Eddie Mair hat dem von einer Krise zur nächsten taumelnden Regierungschef den größten anzunehmenden Dienst erwiesen.

Mit einem einzigen Interview hat er ihm den schärfsten politischen Widersacher aus dem Weg geräumt: Londons Bürgermeister Boris Johnson - den wohl weit und breit einzigen innerparteilichen Konkurrenten, der Cameron wirklich hätte gefährlich werden können.

Eddie Mair ist Aushilfsinterviewer bei der britischen BBC. Am vergangenen Sonntag war er für seinen erkrankten Kollegen Andrew Marr eingesprungen, eine Institution im britischen Fernsehen. Die sonntägliche Andrew-Marr-Show ist der wöchentliche Spiegel der britischen Politik. Dort werden die wichtigen Themen besprochen, mit den Gästen, die etwas zu sagen haben.

Boris Johnson, perfekt inszenierter Polit-Showman, hatte bisher immer etwas zu sagen. Bei den großen Themen - weit über die Londoner Stadtgrenzen hinaus - schien der 48-Jährige mit der Starkstromfrisur zuletzt immer einen Schritt schneller als Premier Cameron. Aus dem Hinterhalt des Londoner Rathauses schoss er seine Giftpfeile ab, in Form wohlformulierter, bis aufs Äußerste zugespitzter Zitate - ob es um Europa ging, um Bankerboni oder um Migration.

Vor Wochen hatte Johnson schon eine Debatte über die Zuwanderung von Rumänen und Bulgaren von 2014 an vom Zaun gebrochen. Cameron musste an diesem Montag mit einer Grundsatzrede zur Migration nachziehen. In der Europapolitik gab Johnson seinem "Parteifreund" stets gute Ratschläge, wie die britischen Interessen in Brüssel gewahrt werden könnten - wohlwissend, dass das Londoner Ideal im Verhandlungssaal für Cameron nicht annähernd erreichbar ist.

So hatte sich Johnson bei den konservativen Tories zur Ikone der Rechten entwickelt - als echte Alternative zu Cameron. Der rechte Parteiflügel macht Parteichef Cameron seit Monaten das Leben so schwer, wie es nur irgend geht. Immer wieder muss sich der Regierungschef gegen die Kritiker aus den eigenen Reihen durchsetzen - und um des innerparteilichen Friedens willen auch bei der Ausrichtung seiner Politik ständig nachjustieren.

Der Druck könnte jetzt etwas geringer geworden sein: Johnson, die Speerspitze der Rechten und - dank seines Hangs zum Polit-Entertainment - auch Idol der jungen Wähler, ist entzaubert. Dafür reichten einige wenige Fragen von Interviewer Mair zur Vergangenheit des charismatischen Blonden mit osmanischen Wurzeln.

Mair hielt Londons Bürgermeister vor, dass er einst als Journalist der "Times" ein Zitat gefälscht hatte und deswegen rausgeflogen war. Und dem sonst so eloquenten Johnson fiel nichts Besseres ein als zu antworten: "Ich habe das, was jemand gesagt hat, etwas glatt geschliffen.." Aber Mair hatte noch mehr in der Hinterhand: eine vor dem früheren Parteichef verheimlichte Liebesaffäre Johnsons, das Verpfeifen eines Kollegen.

Obwohl es sich um altbekannte Kamellen handelte, kam vom völlig perplexen Johnson nur eines: hilfloses Stammeln. Nachdem die BBC am Montagabend noch mit einer Dokumentation über Johnsons Leben nachgelegt hatte, waren sich die Kommentatoren im politischen London am Dienstag einig: Premierminister kann der nicht mehr werden.

Am Ende hat Eddie Mair dem als Lügner enttarnten Johnson so vielleicht sogar unfreiwillig zur Wahrheit verholfen - Johnson hatte stets betont, er wolle überhaupt nicht nach Westminster wechseln, sondern lieber seinen Job als Bürgermeister weitermachen.

(dpa/nbe/das)
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