Endspiel für Boris? Johnson kämpft nach Misstrauensvotum um seinen Job

London · Auch wenn der britische Premier Boris Johnson das Misstrauensvotum gegen ihn gewonnen hat: Das Ergebnis ist eine massive Rebellion, deutlich mehr als ein Drittel seiner eigenen Fraktion stimmte gegen ihn. Der Konservative zeigt sich zwar kämpferisch, doch die Luft wird dünn für ihn.

 Der britische Premierminister Boris Johnson während einer Kabinettssitzung am Dienstag in London.

Der britische Premierminister Boris Johnson während einer Kabinettssitzung am Dienstag in London.

Foto: dpa/Leon Neal

Nachdem das Ergebnis des fraktionsinternen Misstrauensantrags bekannt gegeben war, trat Boris Johnson am späten Montagabend vor die Kameras. Der Ausgang, meinte der britische Premierminister, sei „extrem gut“ und „eindeutig und überzeugend“ gewesen. Es war eine Flucht nach vorne, die wenige Beobachter überzeugte. Boris Johnson konnte das Misstrauensvotum mit 211 zu 148 Stimmen gewinnen, aber sein Team hatte inständig gehofft, dass die Zahl der Rebellen im zweistelligen Bereich bleiben würde. Doch jetzt haben exakt 41,2 Prozent seiner eigenen Fraktionskollegen der Konservativen für seinen Sturz gestimmt. Das ist eine massive Rebellion, größer noch als die gegen Margaret Thatcher vor 32 Jahren. Die Eiserne Lady musste damals nach weniger als 48 Stunden zurücktreten.

Das hat Johnson keinesfalls vor. Er wird weiterkämpfen. Am Dienstag lautete die Losung aus der Regierungszentrale Downing Street: Zurück zum Tagesgeschäft. In der wöchentlichen Kabinettssitzung erklärte Johnson gegenüber seinen Kollegen, dass der Gewinn des Votums bedeute, dass die Regierung sich jetzt auf ihr legislatives Programm konzentrieren müsse. Der Justizminister Dominic Raab wiederholte die Botschaft in verschiedenen Interviews: „Wir haben noch zwei Jahre, um zu liefern“, sagte er. Er beschwor seine Parteifreunde, jetzt einen Schlussstrich zu ziehen und die Feindseligkeiten einzustellen.

Ein frommer Wunsch. Nichts deutet darauf hin, dass die Rebellen in der Fraktion jetzt zurückstecken würden. Eine kürzliche Umfrage unter Mitgliedern der Konservativen Partei zeigte, dass 55 Prozent seinen Rücktritt wünschen. Die Stimmung im Land ist noch ein gutes Stück feindlicher. Doch die Briten werden erst in zwei Jahren die Gelegenheit haben, Johnson abzuwählen. In knapp zwei Wochen können immerhin die Bürger zweier Wahlkreise, in denen eine Nachwahl zum Unterhaus ansteht, ihren Unmut registrieren. Umfragen zeigen, dass die Torys auf eine Schlappe zusteuern, was erneut Johnsons Position untergraben wird.

Die Rebellion war nicht organisiert und ist gerade deshalb so gefährlich für den Premierminister. Denn seine Kritiker kommen aus allen Ecken der Partei, von recht, von links und aus dem Zentrum. Johnson habe, so schrieb am Dienstag der frühere Parteichef Wiliam Hague in der „Times“, einen „nicht wiedergutzumachenden Vertrauensverlust erlitten“ und prophezeite den Anfang vom Ende seiner Amtszeit: „Nicht nur ist das Menetekel an der Wand, sondern in Stein gemeißelt und nicht mehr abzuwaschen.“

Für die Konservative Partei bedeutet der Ausgang des Misstrauensvotum die schlimmste aller Welten. Denn Johnson wird nicht freiwillig gehen, und seine Kritiker werden nicht aufgeben. Der Streit ist nicht entschieden und wird weitergehen. Ein ausgedehnter Grabenkrieg droht. Weitere Vertrauenskrisen werden ausbrechen, bis der Druck zu groß für den Premier wird. Zwar sehen die Parteistatuten vor, dass Johnson nach einem gewonnenen Misstrauensvotum nicht vor Ablauf eines Jahres wieder herausgefordert werden kann. Doch die Regeln können und würden geändert werde, wenn sich genügend Tory-Abgeordnete dafür aussprechen. Auch für das Land ist die Regierungskrise eine schlechte Nachricht. Die Leute haben wie überall in Europa mit galoppierenden Preisen zu kämpfen, und Johnson wird ihnen dabei kaum helfen können, weil, wie die „Times“ befand, „seine Autorität derart beschädigt ist, dass es ihm immer schwerer fallen wird, etwas durchzusetzen“. Er mag das Misstrauensvotum überstanden haben, so das Blatt, aber es war „ein Pyrrhus-Sieg“.

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