UN warnen vor Eskalation Neun Tote bei gewalttätigen Auseinandersetzungen in Bolivien

La Paz · Nach dem Rücktritt von Morales spitzt sich die Krise in Bolivien zu. Neun Menschen kommen bei Auseinandersetzungen ums Leben. Regierung und Morales-Anhänger machen sich gegenseitig dafür verantwortlich. Die UN warnen, die Lage könne außer Kontrolle geraten.

 Polizisten räumen Barrikaden weg, die Anhänger vom ehemaligen Präsidenten Morales auf der Straße angezündet haben.

Polizisten räumen Barrikaden weg, die Anhänger vom ehemaligen Präsidenten Morales auf der Straße angezündet haben.

Foto: dpa/Juan Karita

Bei gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Anhängern des zurückgetretenen Präsidenten Evo Morales und Sicherheitskräften sind in Bolivien neun Menschen getötet worden. Das teilte der Ombudsmann der Stadt Cochabamba, Nelson Cox, am Samstag mit. Weitere 115 Menschen seien verletzt worden, als Polizisten und Militärs am Freitag Kokabauern - Anhängern von Morales - auf einer Brücke in Sacaba, östlich der Stadt Cochabamba, den Weg versperrten. Die Vereinten Nationen warnten, die Lage in dem Land könne außer Kontrolle geraten. Bisher starben bei den Unruhen mindestens 19 Menschen.

Morales war vor einer Woche unter dem Druck von Militär und Polizei zurückgetreten, nachdem internationale Beobachter ihm Wahlbetrug bei der Abstimmung vom 20. Oktober vorgeworfen hatten. Am Dienstag setzte er sich nach Mexiko ab. Der erste indigene Präsident des Andenlandes hatte für eine vierte Amtszeit kandidiert. Nachdem er sich zum Sieger der ersten Runde erklärt hatte, begannen die Unruhen.

Die Anhänger von Morales hatten am Freitag versucht, über Cochabamba zum Regierungssitz in La Paz zu marschieren, um ihre Unterstützung für den Ex-Präsidenten zu zeigen. Cox machte die Sicherheitskräfte für den Tod der Demonstranten verantwortlich. Sie seien erschossen worden.

Der neue Innenminister Arturo Murillo erklärte dagegen, die Schüsse seien aus den Reihen der Anhänger von Morales gefallen. „Viele der Toten erlitten Nackenschüsse“, sagte der Minister. Die Sicherheitskräfte hätten den Befehl gehabt, nicht auf die Demonstranten zu schießen.

Boliviens Übergangspräsidentin Jeanine Áñez empfing am Samstag den Sonderbeauftragten von UN-Generalsekretär António Guterres, Jean Arnault. Der französische Diplomat hat den Auftrag, einen Dialog mit allen Beteiligten zur Befriedung des Andenlandes zu führen.

Die UN-Kommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, warnte vor einer Eskalation der Lage. In einer Mitteilung kritisierte die frühere chilenische Präsidentin am Samstag Polizei und Militär des südamerikanischen Landes für ihr Vorgehen in den vergangenen Tagen. „Während die früheren Todesfälle meist das Ergebnis gewalttätiger Konfrontationen zwischen rivalisierenden Demonstranten waren, scheinen die jüngeren Fälle das Ergebnis unnötiger oder unangemessener Gewalt von Polizei und Militär zu sein.“

Sie sei sehr besorgt, dass die Situation in dem südamerikanischen Land außer Kontrolle geraten könnte, sollten die Behörden nicht mit der nötigen Sensibilität agieren. Das Land sei gespalten und die Menschen auf beiden Seiten sehr verärgert. „In einer solchen Situation werden repressive Maßnahmen der Autoritäten diesen Ärger nur weiter schüren und damit jede Möglichkeit für einen Dialog aufs Spiel setzen“, warnte Bachelet.

Áñez hatte am Freitag gesagt, bewaffnete Gruppen, in denen auch Ausländer seien, hätten vor, Blockaden um die wichtigsten Städte aufzustellen, um die Zufuhr von Treibstoff, Gas und Lebensmitteln zu verhindern. Die Regierung werde gegen diese Gruppen mit den in der Verfassung verbrieften Mitteln vorgehen.

Es gebe Beweise für die Beteiligung venezolanischer Bürger an gewaltsamen Protesten gegen die Übergangsregierung, erklärte die neue kommissarische Außenministerin, Karen Longaric. Neun Venezolaner, bei denen großkalibrige Waffen gefunden worden sein sollen, wurden festgenommen. Die Übergangsregierung hat alle Diplomaten Venezuelas wegen Einmischung in interne Staatsangelegenheiten ausgewiesen. Añez lud am Samstag Venezuelas selbst ernannten Übergangspräsidenten Juan Guaidó ein, Vertreter in Bolivien zu ernennen, anstelle der ausgewiesenen Diplomaten der Regierung von Nicolás Maduro.

Derweil verließen die ersten 226 der mehr als 700 kubanischen Ärzte in Bolivien am Samstag das Land. Das kubanische Außenministerium entschied, die Mediziner abzuziehen, nachdem vier von ihnen am Mittwoch in Bolivien in Besitz von einer hohen Geldsumme festgenommen worden waren. Ihnen wurde vorgeworfen, Proteste von Morales-Anhängern finanziert zu haben. Nach kubanischen Angaben hatten sie Geld abgehoben, um die Mieten von mehr als hundert Teilnehmern der kubanischen Ärztemission zu zahlen.

(zim/dpa)
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