Sarkozy: Auch Deutschland plant Ausweisungen Bitterer Streit über Roma überschattet EU-Gipfel

Brüssel (RPO). Der heftige Streit zwischen Paris und Brüssel über die Abschiebung von Roma hat den EU-Gipfel am Donnerstag fast gesprengt. Der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy zeigte sich "tief verletzt" von Justizkommissarin Viviane Redings Vergleich mit dem Zweiten Weltkrieg. Sie habe sein Land beleidigt. Beim Mittagessen kam es zu einem hitzigen Schlagabtausch zwischen Sarkozy und Kommissionspräsident José Manuel Barroso.

Auf der Abschluss-PK stellte Sarkozy dann auch noch die Behauptung auf, auch Deutschland plane in Kürze die Abschiebung von Roma. Das habe ihm Bundeskanzlerin Angela Merkel gesagt. Die Bundesregierung wies das umgehend zurück.

"Bundeskanzlerin Merkel hat weder im Europäischen Rat noch bei Gesprächen mit dem französischen Staatspräsidenten Sarkozy am Rande des Rates über vermeintliche Roma-Lager in Deutschland, geschweige denn deren Räumung gesprochen", teilte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin mit. Die Bundesregierung unterstütze Frankreich aber bezüglich der Kritik an Form und Ton der Stellungnahme Redings, fügte er hinzu.

Ungeachtet der massiven Kritik kündigte Sarkozy an, mit der Räumung illegaler Lager fortzufahren. Er betonte, die Massenausweisungen seien konform mit EU-Recht, denn die Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit in der Gemeinschaft sei an Bedingungen geknüpft. Es sei die "Pflicht" Frankreichs, illegale Lager zum Schutz der öffentlichen Ordnung aufzulösen. Dabei gingen die Behörden unabhängig von der ethnischen Zugehörigkeit der Menschen, die darin lebten, vor. Genau das glaubt die Kommission aber nicht, weil in einer Dienstanweisung des Pariser Innenministeriums zur Zerstörung von Roma-Lagern aufgefordert worden war.

Der sichtlich mitgenommene Barroso verurteilte jede Form der Diskriminierung als "nicht hinnehmbar". Der Respekt der Menschenrechte sei ein heiliger Wert für die Union. Zugleich war er um Schadensbegrenzung bemüht: "Lassen Sie uns das hinter uns lassen und zu substanzieller Arbeit zurückkehren." Doch vom Tisch ist das Thema noch lange nicht. Justizkommissarin Reding entschuldigte sich zwar dafür, das französische Vorgehen in die Nähe des Zweiten Weltkriegs gerückt zu haben. Sie droht aber weiter mit rechtlichen Schritten gegen Frankreich.

"Das Mittagessen war gut"

Merkel blieb gelassen. "Das Mittagessen war gut", erwiderte sie auf die Frage nach dem Schlagabtausch zwischen Barroso und Sarkozy. Sie habe deutlich gemacht, dass die Wortwahl Redings "nicht angemessen" gewesen sei. "Aber es ist natürlich Aufgabe der Kommission, die Rechtmäßigkeit des französischen Vorgehens zu prüfen." Sie rief die Parteien auf, mit gegenseitigem Respekt miteinander umzugehen. Der Gipfel kam zudem überein, auf dem nächsten Treffen im Oktober über Wege zu beraten, wie die massiven Integrationsprobleme der Roma, eine der größten ethnischen Minderheiten in Europa, angegangen werden können.

Einigkeit erzielten die EU-Außenminister am Donnerstag darüber, dem katastrophengeschwächten Pakistan rasch mit einseitigen Zollsenkungen zu helfen. Die Kommission solle bis zum Oktober entscheidungsreife Vorschläge für die Marktöffnung für pakistanische Textilprodukte vorlegen, sagte Bundesaußenminister Guido Westerwelle. Er gehörte zu den Befürwortern der schnellen wirtschaftlichen Hilfe. Ein wirtschaftlicher Absturz Pakistans würde die gesamte Region destabilisieren, warnte er. Einige EU-Staaten mit einer starken heimischen Textilindustrie hatten sich zunächst gegen die Senkung von Zollschranken ausgesprochen.

"Nicht mit Deutschland"

Keine greifbaren Fortschritte wurden im Ringen um eine Stabilisierung der Währungsunion erzielt. Merkel pochte abermals auf strenge Sanktionen bei mangelnder Haushaltsdisziplin der Mitglieder. "Die notwendigen Vertragsänderungen müssen schnell umgesetzt werden." Und sie machte klar, dass die im Frühjahr aufgespannten milliardenschweren Rettungsschirme nach drei Jahren wieder eingeklappt werden. "Eine Verlängerung wird es mit Deutschland nicht geben."

(AFP/DAPD/csr)
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