Nach dem Wahlsieg von Aung San Suu Kyi Birma hofft auf ein goldenes Zeitalter

Ein rohstoffreiches Land, eine bildungshungrige Bevölkerung und jede Menge Investoren, die in Birma blühende Geschäfte wittern. Und nach dem Wahlsieg für Friedensnobelpreisträgerin AungSanSuuKyi dürften auch viele Sanktionen gegen das Land gelockert werden. Aber ist ein Boom in dem einstigen Schurkenstaat realistisch? Experten sind sketpisch.

 Der Wahlsieg von Aung San Suu Kyi in Birma löst Hoffnung auf eine bessere Zukunft aus.

Der Wahlsieg von Aung San Suu Kyi in Birma löst Hoffnung auf eine bessere Zukunft aus.

Foto: afp, Soe Than WIN

Ein rohstoffreiches Land, eine bildungshungrige Bevölkerung und jede Menge Investoren, die in Birma blühende Geschäfte wittern. Und nach dem Wahlsieg für Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi dürften auch viele Sanktionen gegen das Land gelockert werden. Aber ist ein Boom in dem einstigen Schurkenstaat realistisch? Experten sind sketpisch.

Aung San Suu Kyi (66) kann als eine der großen Kämpferinnen unserer Zeit gelten — für die Demokratie, die sie einem Land geben will, das auf diesem Gebiet fast blutiger Anfänger ist: ihrer Heimat Birma. Die Partei von Friedensnobelpreisträgerin hat bei der Nachwahl einen Erdrutschsieg errungen. 40 der 45 zur Wahl stehenden Sitze seien an die Nationale Liga für Demokratie gegangen, teilte die Wahlkommission des international weitgehend isolierten Landes am Montag mit.

Die Geschichte einer Heldin

Aung San Suu Kyis Geschichte ist die einer Heldin. Als sie nach ihrem Studium in Oxford und Japan 1988 dorthin zurückkehrte, erlebte sie just den Sturz der Militärdiktatur unter Ne Win mit. Inmitten blutiger Ausschreitungen begann mit der Gründung der Partei Nationale Liga für Demokratie ihr inzwischen über 30 Jahre andauernder Weg.

Doch stets hatte sie sich den Hürden Verfolgung, Inhaftierung und Hausarrest zu stellen, unter dem sie insgesamt 15 Jahre verbrachte. Im Ausland wurde der Einsatz der tapferen Frau bereits 1991 mit dem Friedensnobelpreis gewürdigt. Ihr Leben war Vorlage für den Kinofilm "The Lady".

Wirtschaftslokomotive in der Region?

Bringt die tapfere Frau dem weitgehend isolierten Land jetzt den Wandel? Geschäftsleute aus aller Welt stehen in Birma jedenfalls Schlange. Mit der Öffnung des Landes nach Jahrzehnten Militärdiktatur wittern viele große Chancen. "Birma kann die Wirtschaftslokomotive in der Region werden", schwärmte Ajay Chhibber, Asiendirektor des UN-Entwicklungsprogramms UNDP, gerade in der Hauptstadt Naypyidaw.

"Birma hat großes Wachstumspotenzial", stellte der Internationale Währungsfonds (IWF) fest. Im Januar warb Industrieminister Soe Thane in Davos beim Weltwirtschaftsforum um Investoren und stellte acht steuerfreie Jahre ins Aussicht. Trotzdem: Kenner des Wirtschaftslebens und Experten warnen vor zu großer Euphorie.

"Hochtechnologieprodukte"

Das in Südostasien seit mehr als 100 Jahren aktive Hamburger Handelshaus Jebsen & Jessen hat seit Juli ein Joint Venture, JJ-Pun, in Birma. Geschäftsführer Philipp Hoffmann will Dampfturbinen, Pumpen, Kräne und Ähnliches von großen europäischen, amerikanischen und japanischen Firmen vertreiben. "Hochtechnologieprodukte haben hier großes Potenzial", sagt er in seinem Büro in Rangun mit Blick auf das birmanische Wahrzeichen, die goldene Shwedagon-Pagode. "Es gibt viel Interesse an deutschem Knowhow. Die Leute sind froh, Alternativen zu chinesischen Produkten zu bekommen."

Für China war Birma jahrelang "wie Elfmeterschießen ohne Torwart", wie ein heimischer Geschäftsmann sagt. Nach Angaben der birmanischen Zeitung "Eleven News" kommt ein Drittel der Auslandsinvestitionen aus China, das mit 14 Milliarden Dollar Thailand als größten Investor abgelöst hat. Auch Singapur ist gut im Geschäft. Die Asiaten bauten Kraftwerke, Pipelines, Straßen, Hotels und Industriezonen. Investitionen aus westlichen Ländern scheiterten an Sanktionen. Unternehmer fordern eine Lockerung oder Aufhebung der Restriktionen.

Das goldene Land

Von "goldenen Möglichkeiten im goldenen Land" schwärmt Evelin Petkov von der auf Birma spezialisierten Investmentberatungsfirma BaganCapital: "Es gibt jede Menge vielversprechende Sektoren. Am schnellsten zugänglich sind Tourismus, Bau, Bodenschätze, vor allem Öl und Gas, Fischerei und Textilproduktion." Einschließlich Öl- und Gas-Branche könnte Birma in den nächsten fünf Jahren Investitionen in Höhe von 25 Milliarden US-Dollar verkraften, meint Petkov.

Am vielversprechendsten sei der Tourismus, sagt Sean Turnell, Professor und Birma-Wirtschaftsexperte an der Macquarie-Universität in Sydney. Im vergangenen Jahr reisten "nur" rund 300 000 Touristen ins Land. Das sei ausbaufähig. "Davon können viele Mittelständler profitieren. Der Sektor ist arbeitsintensiv, und Investitionen hätten schnell positive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt."

Probleme mit dem Internet

Bei allem Potenzial warnen selbst Optimisten aber vor Goldgräberstimmung. Birma ächze unter einer schwerfälligen Bürokratie und maroden Infrastruktur. Stromausfälle und ein lahmes Internet stellen die Geduld auf die Probe. Für alles seien Lizenzen nötig, was Korruption Tür und Tor öffnet. "Ich habe Angst um dieses Land", sagt ein westlicher Unternehmer. "Ich sehe eine große Gier."

Axel Müller ist ein besonders guter Kenner der Wirtschaftsszene. Seit 1994 führt der gebürtige Kelkheimer in der Hafenmetropole Rangun die Stickerei MTCDigital. Mit 80 Mitarbeiterinnen und hochmodernen Stickanlagen fertigt er Stickereien auf Hemden, T-Shirts, Kappen und Taschen und liefert Computerdesigns für Stickmuster.

In engen Grenzen

"Als Produktionsstandort halten sich die Kostenvorteile in Birma massiv in Grenzen", sagt er. "Das liegt an der sehr bescheidenen Infrastruktur mit horrenden Preisen für Energie, Mieten, Telekommunikation, Logistik und Abgaben.".

"Schnell wird in der Euphorie das Potenzial größer bewertet, als es tatsächlich ist", sagt auch Hoffmann. "Man braucht eine gute Marktstudie und einen lokalen Partner mit internationalen Erfahrungen, um erfolgreich zu sein." Ein böses Erwachen für allzu eifrige Investoren fürchtet auch Professor Turnell. "Das sieht man jetzt schon: die Hotels sind zwar voller Geschäftsleute, aber es sind bislang wenige Geschäfte angebahnt worden."

(dpa)
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