Terrornetzwerk Al Qaida besteht seit 25 Jahren Bin Ladens Erben bomben weiter

Düsseldorf · Vor 25 Jahren wurde das gefährlichste radikalislamische Terrornetzwerk der Welt in Pakistan gegründet. Es hat die Welt verändert. Sein jahrelanger Chef Osama bin Laden ist tot, doch die Ideologie von Al Qaida lebt.

Am Wochenende wehte im Wüstenwind auf dem Sinai die schwarze Fahne des Terrornetzwerkes Al Qaida. In Al Dschura wurden vier Männer zu Grabe getragen, die am Freitag durch einen israelischen Drohnenangriff getötet worden waren. Die Toten gehörten der Terrorgruppe Beit Al Makdis an, die wie auch unzählige andere islamistische Gruppierungen unter den ideologischen Vorgaben von Al Qaida ihren terroristischen Kampf führen. Wie ein Mitglied von Beit Al Makdis erklärte, hätten die vier einen Raketenangriff auf Israel vorbereitet.

Der islamistische Terror lebt nach wie vor, auch wenn immer wieder Mitglieder des Al-Qaida-Netzwerkes im Antiterrorkampf getötet werden. Vor einer Woche noch hatten die USA weltweit 21 Botschaften und Konsulate wegen angeblicher Anschlagsgefahr geschlossen. Frankreich, Großbritannien und auch Deutschland hatten ebenfalls einige diplomatische Vertretungen — vor allem die im Jemen — dichtgemacht. Wann die deutsche Botschaft in der Hauptstadt Sanaa wieder geöffnet werden kann, ist offen.

Die Lage im Jemen bleibt angespannt. Gestern wurden von Mitgliedern der Gruppe "Al Qaida auf der Arabischen Halbinsel" fünf Soldaten in ihren Unterkünften getötet, berichtete das Nachrichtenportal "News Yemen". Eine andere Quelle sagt, Al-Qaida-Kämpfer hätten gestern den einzigen Erdgas-Exporthafen Balhaf angegriffen und die fünf Soldaten getötet. Die Anlage im Süden des Landes war erst 2009 eröffnet worden. In den vergangenen Wochen waren im Jemen mehrere mutmaßliche Al-Qaida-Kämpfer durch US-Drohnenangriffe getötet worden.

Die jemenitische Regierung hatte jüngst ihre Präsenz bei den Öl- und Gasanlagen verstärkt, nachdem Al-Qaida-Angriffspläne bekannt geworden waren. Anti-Terrorexperten in den USA sehen in der verstärkten Aktivität von Dschihadisten im Jemen eine personelle Komponente. Der Jemenit Nasir al Wuhaischi sei zur neuen Nummer zwei von Al Qaida aufgerückt. Da sei es denkbar, dass er sich durch einen massiven Terroranschlag in sein neues Amt einführen wolle.

Die Behörden in Sanaa hatten die Namen von 25 gesuchten mutmaßlichen Al-Qaida-Kämpfern veröffentlicht. Die Angst vor Anschlägen geht um, vor allem nachdem Al-Qaida-Chef Aiman al Sawahiri (62) von "etwas Großem" gesprochen hatte, das bevorstehe. Das Gespräch mit einem Al-Qaida-Kommandeur war abgehört worden. Über Jahre war der gebürtige Ägypter al Sawahiri die Nummer Zwei hinter Osama bin Laden. Den hatte nach jahrelanger Suche ein US-Spezialteam in Pakistan aufgespürt und im Mai 2011 getötet.

Da schließt sich nun der Kreis. Im pakistanischen Peschawar war vor 25 Jahren, am 11. August 1988, das Terrornetzwerk gegründet worden. Anfänglich wurde Al Qaida ("Die Basis") von den USA finanziell gestützt, ganz nach dem Motto: "Der Feind meines Feindes ist mein Freund". Immerhin hielten noch sowjetische Soldaten weite Teile Afghanistans besetzt. Sie setzten der Bevölkerung blutig zu. Al Qaida war angetreten, die Besatzer zu bekämpfen und aus dem Land zu werfen. Amerika rieb sich die Hände, denn die Mudschaheddin von Osama bin Laden kämpften gegen den ideologischen Klassenfeind. Am 15. Februar 1989 war es dann so weit: Die letzte Moskauer Panzerkolonne verließ gedemütigt das Land am Hindukusch. Dass das Motto: "Der Feind meines Feindes ist mein Freund" ein rasches Verfallsdatum hat, sollte sich nun zeigen.

Al Qaida wurde zum Albtraum nicht nur der USA. 25 Jahre Al Qaida haben die Welt verändert. Nicht in dem Sinne, dass die radikalislamischen Gotteskrieger ihre eingegrenzte Sichtweise der Welt überall durchgesetzt hätten. Nach dem spektakulären Angriff mit Flugzeugen auf das World Trade Center in New York am 11. September 2001 haben sich die offenen westlichen Demokratien einem ungeheuren Anti-Terror-Kampf verschrieben, der den unbeschwerten Umgang mit verbrieften Grundrechten fast unmöglich macht. Westliche Geheimdienste überwachen lückenlos das Internet. Der Bürger ist "gläsern" geworden. Bankkonten werden durchleuchtet und Passagierlisten durchforstet. Bürger begegnen ihren muslimischen Mitbürgern mit Misstrauen, die islamische Welt fühlt sich unter Generalverdacht gestellt.

25 Jahre nach seiner Gründung hat es Al Qaida geschafft, dass westliche Demokratien unter enormem finanziellen Aufwand die freiheitliche Lebensweise als bisherige Qualität gelebter Demokratien einschränkten. Al Qaida ist heute keine einzelne Gruppierung mehr. Sie ist die Dachorganisation, die die radikale und international agierende Terroristengemeinde auf Trab hält. Al Qaida verkörpert in seinem kompromisslosen Hass auf den Westen und dessen Lebensform den modernen Dschihad. Untergruppen und Einsatzkommandos werden schnell für Anschläge gebildet. Und ebenso schnell werden sie umbenannt und umgruppiert. Al-Qaida-Kämpfer werden in Speziallagern in den verschiedensten Kampfformen, der Waffenbeherrschung und Terroranschlägen ausgebildet und mit der notwendigen Ideologie versehen.

Sie sind als "Gastarbeiter" in Sachen Terror im Irak, in Afghanistan, aber auch auf der arabischen Halbinsel und nun im Bürgerkrieg in Syrien oder in Ägypten tätig. Die ägyptische Armee geht nun verstärkt auf der Sinai-Halbinsel gegen die Al Qaida zugeordneten radikalen Salafisten vor, die zum einen gegen Israel Front machen, zum anderen aber auch die innerägyptischen Machtverhältnisse verändern wollen. Immerhin wurde vor wenigen Wochen der erste bei freien Wahlen bestimmte gemäßigt-islamistische Präsident Mohammed Mursi vom Militär seines Amtes enthoben. Er war auf dem Weg, den Ägyptern eine vom Koran bestimmte Lebensweise aufzuzwingen. Der Machtverlust Mursis wirkt bei vielen Radikalen wie eine Vitaminspritze.

(RP)
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