Parlamentswahlen in Russland Betrugsvorwürfen und Schikane
Moskau · In Russland waren die Stimmberechtigten aufgerufen, ein neues Parlament zu wählen. In Gebieten im Osten des Landes lag die Wahlbeteiligung vier Stunden nach Öffnung der Wahllokale bei 16,5 Prozent. Die Wahl wurde vorab von Betrugsvorwürfen überschattet.
Laut einer vor rund einer Woche veröffentlichten Umfrage des unabhängigen Meinungsforschungsinstituts Lewada kann die Partei Einiges Russland von Ministerpräsident Wladimir Putin bei der Wahl mit 53 Prozent der Stimmen rechnen.
Sie würde damit die für Verfassungsänderungen notwendige Zweidrittelmehrheit verlieren. Unabhängige Wahlbeobachter der Nichtregierungsorganisation Golos haben indes mehr als 5.300 Wählerbeschwerden dokumentiert, die sich zumeist auf die Regierungspartei Einiges Russland beziehen.
Die Wahl wird von Betrugsvorwürfen und Schikanen gegen Wahlbeobachter überschattet. Am Samstag wurde die Leiterin der unabhängigen Wahlbeobachtergruppe Golos nach eigenen Angaben stundenlang an einem Moskauer Flughafen festgehalten.
Cyber-Angriffe auf unabhängige Internetseiten
Auch Oppositionsparteien berichteten von Angriffe gegen ihre Beobachter, einige Oppositionelle riefen zu einem Wahlboykott auf. Kritik gibt es auch angesichts des zu erwartenden Postentauschs zwischen Putin und Präsident Dmitri Medwedew, für den die Parlamentswahl als erster Schritt gilt.
Der russische Radiosender Moskauer Echo hat einen Cyber-Angriff auf seine Internetseite beklagt. Dieser Angriff sei "ganz klar ein Versuch, die Veröffentlichung von Informationen über Wahlfälschung zu verhindern", schrieb der Chefredakteur des Radiosenders, Alexej Wenediktow, am Sonntagmorgen auf seinem Konto des Internetdienstes Twitter. Das Moskauer Echo gilt als wichtigster Radiosender für unabhängige Beiträge.
Mindestens fünf unabhängige Internetseiten waren nach Angaben von Korrespondenten der Nachrichtenagentur AFP am Sonntag nicht zugänglich. Außer der Website des Moskauer Echos waren die Seiten der Tageszeitung "Kommersant", der Wochenzeitung "New Times", der Wahlbeobachtergruppe Golos sowie die von ihr zusammen mit der Internetzeitung gazeta.ru erstellte Seite betroffen, die russlandweite Verstöße gegen das Wahlgesetz öffentlich macht.