Vertrauensabstimmungen in Italien Berlusconi steht vor einem Trümmerhaufen

Rom · Die Regierung von Ministerpräsident Enrico Letta besteht fort, die von Silvio Berlusconi gegründete Partei "Volk der Freiheit" (PdL) gleicht einem Scherbenhaufen. Das ist das Ergebnis der beiden Vertrauensabstimmungen im römischen Parlament.

Die Kehrtwende nach wochenlangen Drohungen gegen die Regierung leitet der PdL-Gründer selbst ein. Im Senat erhebt sich Berlusconi von seinem samtbezogenen Sessel. Ans Revers hat er bereits die Plakette seiner wiederbelebten Bewegung "Forza Italia" geheftet, die die PdL ersetzen soll. Dann dringen Sätze aus seinem Mund, die ein paar Stunden zuvor kaum jemand für möglich gehalten hätte. "Nicht ohne innere Wehen haben wir entschieden, dieser Regierung unser Vertrauen auszusprechen."

Den Bruchteil einer Sekunde herrscht ungläubiges Schweigen, dann brandet Applaus in den Reihen hinter Berlusconi auf. Seine Nebenleute schütteln dem 77-Jährigen die Hand. Zuvor hatten 23 PdL-Senatoren angekündigt, für Letta zu stimmen. Damit war das Überleben der Regierung gesichert. Auf Berlusconi und seine verbliebenen Getreuen kam es nicht mehr an — ein seltenes Gefühl der Machtlosigkeit beschlich den "Cavaliere".

Ironisches Lächeln von Letta

Das erklärt auch das ironische Lächeln von Ministerpräsident Letta, als Berlusconi das Ja für die Vertrauensabstimmung ankündigt. "Grande!", entfährt es Letta, "Ein Großer!" Neben ihm sitzt PdL-Chef Angelino Alfano mit ernster Miene. Er ist aus dem Schatten seines politischen Übervaters herausgetreten. Er und die anderen Überläufer sind jetzt das Zünglein an der Waage. Letta und sein Vizepremier Alfano bilden nun die neue Allianz, auf die sich die Regierung stützt. Wie stark das Bündnis mit den neuen Kräfteverhältnissen wirklich ist, muss sich erst noch zeigen.

Beobachter in Rom vermuten, dass Berlusconi keineswegs vorhat, die italienische Politik aus seinem Würgegriff zu entlassen. In wenigen Wochen wird der Milliardär aus dem Senat ausgeschlossen, weil er wegen Steuerbetrugs verurteilt worden ist. Seinen gestrigen Schwenk interpretieren die meisten als Bluff, der die Spaltung der PdL kaschieren soll. Das Ja für Letta könnte der Versuch sein, den Machtverlust so gering wie möglich zu halten und die Überläufer zur Rückkehr zu bewegen.

Alfano hatte in der Nacht vor der Abstimmung versucht, Berlusconi zum Einlenken zu bewegen. Vergeblich. Berlusconi hatte die fünf Minister seiner Partei, darunter Alfano, zum Rücktritt aufgefordert. Vor allem angesichts der dramatischen wirtschaftlichen Verhältnisse, in denen sich Italien befindet, wollten mehrere Abgeordnete und die PdL-Minister nicht zum Sturz der Regierung beitragen. Kontinuität und das Voranbringen der wichtigen Reformen hatten für die Abtrünnigen Priorität. In diesem Sinne hatte Letta um Vertrauen geworben. Er kam explizit auch auf die juristischen Probleme Berlusconis zu sprechen und gab sich kompromisslos: "Urteile müssen befolgt werden."

(RP)
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