Italienischer Ex-Premier Berlusconi setzt jetzt auf seine Frauen
Rom · Die älteste Tochter und seine 48 Jahre jüngere Freundin sollen dem verurteilten Ex-Premier helfen, die Macht zu erhalten.
Als dem reichsten Mann Italiens die Tränen über die Wangen kullerten, stand sie ihm zur Seite, nur sie: Francesca Pascale nahm ihren Silvio in den Arm, führte den soeben wegen Steuerbetrugs zu vier Jahren Haft Verurteilten von der illegal aufgestellten Bühne vor seiner römischen Privatresidenz. Hier hatte er sich gerade Luft gemacht über die angebliche Verfolgung durch die Justiz. "Silvio, wir lieben dich", war auf vorgefertigten Transparenten zu lesen, die aus der Menschenmenge ragten. Gegeben wurde das Stück vom perfekten, treuen, gebeutelten Paar.
"Sie bringen ihn um", soll Francesca Pascale nach dem Urteil von vergangener Woche geschluchzt haben. Die italienische Öffentlichkeit bekommt ein Rührstück vorgespielt. In der Hauptrolle: der mächtigste Medienunternehmer des Landes, den man nach dem letztinstanzlichen Urteil gegen ihn ungestraft als kriminell bezeichnen kann. Und immer häufiger sieht man nun auch die junge Freundin des Straftäters, beim letzten Auftritt in Rom makellos im schwarzen Kleid, das Haar hochgesteckt, die Augenbrauen zu feinen Strichen frisiert, funkelnde Rubine im Ohr. Beinahe 50 Jahre trennen Silvio Berlusconi (76) und Francesca Pascale (28). Sie gibt die hübsche Ehrenretterin dieses angeblich so geschundenen Wohltäters der Italiener.
Angebliche Verschwörung gegen ihn
In jeder anderen westlichen Demokratie hätte ein rechtskräftiges Gerichtsurteil den Rücktritt des Verurteilten zur Folge gehabt. Besonders ein gegen das Gemeinwesen gerichtetes Delikt wie Steuerhinterziehung bedeutete für einen Politiker das Ende seiner Laufbahn. Nicht so in Italien. Berlusconi, der weiter seinen Sitz im italienischen Senat beansprucht, kann nahezu unwidersprochen über die angebliche politisch-juristische Verschwörung gegen ihn schwadronieren.
Der kriminelle Milliardär bestimmt weiter die politische Agenda. Und die Klatschpresse aus dem Hause Berlusconi stellt die Beziehung mit Francesca Pascale als "wahre Liebe" dar. Das mag stimmen. Pascale, die aus Fuorigrotta bei Neapel stammt und einst als leicht bekleidete Ansagerin im Regionalfernsehen auftrat, habe Silvio regelrecht verfolgt, als dieser noch gar nichts von ihrer Existenz wusste. So stellt es zumindest die Berlusconi-Presse dar.
"Silvio, du fehlst uns", soll Pascale ein Komitee von Freundinnen getauft haben, die nach eigenem Bekunden den populistischen Ex-Premier anhimmelten. Auffällig ist allerdings, dass die junge Neapolitanerin ausgerechnet dann auf der öffentlichen Bildfläche erschien, als der zweifach verheiratete und in letzter Ehe noch nicht geschiedene Berlusconi mit dem "Bunga-Bunga"-Skandal Schlagzeilen machte. Wegen Prostitution Minderjähriger und Amtsmissbrauchs verurteilte ihn ein Mailänder Gericht deshalb in erster Instanz zu sieben Jahren Haft. Bei potenziellen Berlusconi-Wählern könnte die Präsenz der "jungen Unschuld" deshalb durchaus einen positiven Effekt haben und kalkuliert sein. Ihre Manieren hat Pascale rechtzeitig in Benimm-Kursen aufgebessert, diverse Schönheitsoperationen sollen das Bild der makellosen Begleiterin perfektioniert haben.
"Die Zukunft von Mitte-Rechts"
Berlusconis politischer Karriere droht das Ende. Jedes Lächeln, jeder zur Schau getragene Akt der Zuneigung einer jungen Partnerin könnte sich positiv für Berlusconi auswirken. Neuwahlen im Herbst sind nicht ausgeschlossen. Für den politischen Part könnte sich Berlusconi der Dienste einer anderen Frau bedienen, seiner 47 Jahre alten Tochter Marina. "Die Zukunft von Mitte-Rechts", titelte das Hausblatt "Il Giornale" vor Tagen über einem Foto der Berlusconi-Erbin und Präsidentin der Familienholding Fininvest. Das US-Magazin "Forbes" führt sie als eine der einflussreichsten Unternehmerinnen der Welt, sie soll bereits Schulungen für den Eintritt in die Politik bekommen haben.
Erstmals war die Tochter nach dem Urteil bei einer der politischen Besprechungen ihres Vaters anwesend. "Ich wäre begeistert", sagte die PdL-Politikerin Daniela Santanchè über Gerüchte, die Tochter könnte im Oktober die Führung der Berlusconi-Partei übernehmen und als Spitzenkandidatin antreten.
Bestätigt wäre damit auch der Verdacht, dass Berlusconis politisches Engagement vor allem auf den Erhalt seines Firmenimperiums zurückzuführen ist. Das Steuerbetrugsurteil hat die Balance in der Regierungskoalition empfindlich gestört. Berlusconi, dessen Partei an der Regierung des Linksdemokraten Enrico Letta beteiligt ist, verlangt einen Ausweg, also de facto Straflosigkeit. Sollte ihm dieser Wunsch nicht erfüllt werden, droht er mit dem Ende der Regierung. Dann stünden Neuwahlen im Herbst an, Berlusconi hat bereits die Rückkehr zur Partei "Forza Italia" verfügt — mit seiner Tochter Marina als Spitzenkandidatin könnte das Wahlsymbol weiter den Namen Berlusconi tragen.
Der fasziniert immer noch einen nicht unerheblichen Teil der italienischen Wähler, die an das Märchen vom charismatischen Unschuldslamm glauben. Und indirekt, über seine Tochter, behielte Berlusconi weiter die Kontrolle über die italienische Politik.