Wahlkampf in Italien Berlusconi holt stark auf

Rom · Der Clown macht ernst. Nach zahlreichen Sex- und Justizskandalen ist Silvio Berlusconis Ansehen international längst ruiniert. Seine Landsleute haben aber weiterhin eine Schwäche für den unberechenbaren, skrupellosen und charismatischen 76-Jährigen. Vor der Parlamentswahl am 24. und 25. Februar holt das lange abgeschlagene Bündnis des Ex-Premiers unaufhaltsam bei den Wählern auf.

Silvio Berlusconi - Zwischen Politik und Gerichtssaal
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Foto: dpa, Julien Warnand

Knapp drei Wochen vor der Abstimmung trennen je nach Umfrage nur noch drei bis acht Prozentpunkte das Berlusconi-Lager von dem führenden Mitte-Links-Bündnis von Pier Luigi Bersani. Berlusconi hat dabei seit jeher mit einem ebenso raffinierten wie simplen Rezept bei den Wählern Erfolg. Wie kein anderer weiß er, was die Italiener hören wollen. Deshalb läuft der Mailänder Unternehmer vor allem im Wahlkampf zu Hochform auf.

Der geborene Verkäufer

Berlusconi ist ein geborener Verkäufer. Wieder einmal hat es der populistische Mix in sich, den der Medienmanager in diesen Tagen dem Wahlvolk anbietet. Wie immer setzt Berlusconi auf Steuererleichterungen. Er verspricht für den Fall eines Wahlsiegs, die 2012 eingeführte Immobiliensteuer zurückzunehmen und die gezahlten Beträge zu erstatten — bar oder per Überweisung. Die Gegenfinanzierung der dann im Staatshaushalt fehlenden vier Milliarden Euro soll ein noch nicht abgeschlossenes Steuerabkommen mit der Schweiz liefern. Der Vorschlag, die bei den vielen italienischen Immobilieneigentümern verhasste Grundsteuer zurückzuerstatten, hat auch einen symbolischen Wert. Er lautet: Der räuberische Steuerstaat gibt den belasteten Bürgern ihr Geld zurück, dank Berlusconi. Sieht man einmal von der Durchführbarkeit der Maßnahme und den verheerenden Folgen für den Haushalt ab, lässt sich auch in anderen Äußerungen Berlusconis derselbe Trend erkennen: Seriöse Planung, politische Korrektheit und Moral sind für ihn keine maßgeblichen Kategorien.

Aus diesem Grund wählte Berlusconi ausgerechnet den Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus für seine Absolution des Diktators Benito Mussolini. Mussolini habe den Fehler gemacht, die Rassengesetze einzuführen, in vielerlei anderer Hinsicht habe er Gutes geleistet, behauptete Berlusconi. Die Aussage war kein Tabubruch, sie ist Konsens im Land. Einer seriösen Umfrage zufolge teilen knapp 50 Prozent der Italiener diese Ansicht.

Berlusconi instrumentalisiert seine Geschäftsfelder

Nicht zuletzt zahlt sich für Berlusconi politisch immer wieder seine Präsenz in zahlreichen Geschäftsfeldern aus. Nicht nur das Fernsehen, auch den Fußball nutzt er erwiesenermaßen als Konsensmaschine. Berlusconi ist Mehrheitsaktionär des AC Mailand, den er im Wahlkampf regelmäßig für seine Zwecke verwendet. Kenner behaupten, das Geschäftsgebaren des Klubs richte sich nach der Politik.

Berlusconi macht aus dieser Verbindung selbst keinen Hehl. So versprach er den Tifosi im Wahlkampf 2008 den Brasilianer Ronaldinho und erwarb ihn nach gewonnener Abstimmung. "Zwei Dinge wollten meine Anhänger von mir", erklärte er später: "Befreie uns vom Kommunismus und kaufe Ronaldinho. Ich habe beides gemacht." Politisch motiviert war kürzlich auch der Kauf des Stürmers Mario Balotelli von Manchester City. 20 Millionen Euro Ablöse kostete er. Der Transfer bedeutete eine bizarre Wende in der Vereinspolitik: Im Sommer hatte Milan seine besten Spieler verkauft, um die Finanzkriterien der Uefa zu erfüllen.

Während einige Beobachter den Balotelli-Transfer als politisch unerheblich einschätzen, rechnen Umfrage-Institute mit einem Stimmengewinn für Berlusconi von bis zu zwei Prozentpunkten. Vor allem in der Lombardei seien bis zu 80.000 Wähler und Milan-Tifosi versucht, Berlusconi doch noch einmal ihre Stimme zu schenken. Das könnte genügen. Denn in der Lombardei, dem italienischen Ohio, wird vermutlich die Wahl entschieden — wie 2012 im US-Staat Ohio die Wiederwahl von Barack Obama.

Während der Sieger im Abgeordnetenhaus auf einen Mehrheitsbonus bauen kann, wird die Sitzverteilung für den Senat regional entschieden. Die Lombardei stellt besonders viele Senatoren, die für eine Mehrheit in der zweiten Parlamentskammer maßgeblich sind. Berlusconi muss landesweit gar nicht die meisten Stimmen bekommen — ihm genügt der Sieg in der Lombardei, wo sein Bündnis in den Umfragen führt. So kann er eine stabile Regierungsmehrheit unterbinden und Zugeständnisse fordern — etwa einen politischen Posten, der ihn endgültig dem Zugriff der italienischen Justiz entzieht.

(RP/felt/das)
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