Nach Tod von Demonstranten Wieder Tausende in Belarus auf die Straße

Minsk · Ein 31-jähriger Demonstrant wurde in Belarus angeblich von Polizisten totgeprügelt. Daraufhin gingen wieder tausende Menschen auf die Straße. Es ist der vierte Todesfall in Zusammenhang mit den seit drei Monaten andauernden Protesten gegen Präsident Lukaschenko.

 Menschen sammeln sich in Gedenken an den getöteten Demonstranten Roman Bondarenko. Bondarenko soll überfallen worden sein und so schwere Verletzungen erlitten haben, dass er am daran starb.

Menschen sammeln sich in Gedenken an den getöteten Demonstranten Roman Bondarenko. Bondarenko soll überfallen worden sein und so schwere Verletzungen erlitten haben, dass er am daran starb.

Foto: dpa/-

Nach dem Tod eines Demonstranten bei den Protesten in Belarus sind auch am Freitag wieder Tausende Regierungsgegner im ganzen Land auf die Straße gegangen. Viele trugen Blumen und Kerzen und bildeten Menschenketten, um an den am Donnerstag verstorbenen 31-jährigen Raman B. zu erinnern. „Hört auf, uns umzubringen“, stand auf einigen der Transparente, die hochgehalten wurden. Präsident Alexander Lukaschenko äußerte sich zunächst nicht zum Tod des Mannes, der mutmaßlich von Polizisten verprügelt worden war, warf der Protestbewegung aber einmal mehr einen Umsturzversuch vor.

Belarus kommt nicht zur Ruhe, seit Lukaschenko bei einer von massiven Fälschungsvorwürfen begleiteten Wahl am 9. August nach offizieller Darstellung für eine sechste Amtszeit wiedergewählt wurde. Die EU und andere westliche Staaten erkennen das Ergebnis ebenso wenig an wie die Opposition, die seither Lukaschenkos Rücktritt fordert.

Die Polizei war besonders in den Tagen nach Wahl, aber auch immer wieder in den drei Monaten seither, mit harter Hand gegen die Demonstranten vorgegangen. Raman B. ist das vierte Todesopfer in Zusammenhang mit den Protesten. Mehr als 17 000 Menschen wurden nach Angaben von Menschenrechtlern festgenommen.

Der Leiter der Menschenrechtsorganisation Wjasna, Ales Bjaljazki, sagte, B. sei am Mittwoch von Beamten in Zivil in einem Innenhof festgenommen und dann in einem Polizeiwagen brutal zusammengeschlagen worden. Er habe schwere Kopfverletzungen erlitten und sei in ein Polizeirevier gebracht worden, sagte Bjaljazki. Dennoch sei zwei Stunden lang kein Krankenwagen gerufen worden. Der Polizei zufolge verletzte B. sich hingegen bei einem Straßenkampf und war demnach mutmaßlich alkoholisiert. Nach einer mehrstündigen Not-OP wurde der 31-Jährige am Donnerstag für tot erklärt.

Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja, die bei der Wahl im August gegen Lukaschenko angetreten war, nannte den verstorbenen Demonstranten einen „Helden“. Er sei ein „unschuldiges Opfer eines unmenschlichen Systems geworden“, sagte sie in einer Videobotschaft aus dem Exil in Litauen. „Der Mann wurde getötet, weil er in einem freien Land leben wollte.“

Lukaschenko verglich die Proteste in einem Interview mit den Aufständen in mehreren anderen Ex-Sowjetstaaten, den „Farbrevolutionen“. Diese Versuche, auf verfassungswidrige Art und Weise einen Umsturz herbeizuführen, würden nur den Staat schwächer und die Menschen ärmer machen, sagte er.

Die Europäische Union verurteilte in einer Reaktion einmal mehr die gewaltsame Niederschlagung der Proteste in Belarus. Peter Stano, der EU-Kommissionssprecher für Außenbeziehungen, sagte, die Behörden in Belarus würden nicht nur das eigene Volk gewaltsam unterdrücken, sondern hätten auch ein Umfeld geschaffen, in dem solche gesetzlosen Taten passieren könnten.

Eine offizielle Untersuchung zum Tod des 31-Jährigen wurde eingeleitet. Das belarussische Untersuchungskomitee stellte am Freitag gleichzeitig eine weitere Ermittlung zum Tod eines Demonstranten am Tag nach der Wahl ein. Er kam nach Darstellung der Polizei ums Leben, als ein Sprengsatz in seiner Hand explodierte. Aus seinem Umfeld heißt es hingegen, er sei erschossen worden. Auf einem Video eines AP-Journalisten von dem Vorfall am 10. August ist der Mann in einem blutigen Hemd zu sehen, bevor er zusammenbricht und mehrere Polizisten sich ihm nähern. Warum er blutete, ist in den Aufnahmen nicht zu sehen, ebenso wenig wie der Sprengsatz, den er in der Hand gehalten haben soll.

(sed/dpa)
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