„Staatsterror“ in Belarus Oppositionspolitikerin Kolesnikowa offenbar von Unbekannten entführt

Minsk · Maria Kolesnikowa, eine der wichtigsten Oppositionsführerinnen in Belarus, soll laut Medienberichten verschleppt worden sein. Auch zwei weitere Oppositionelle wurden demnach vermutlich entführt. Die EU äußert sich besorgt.

 Maria Kolesnikowa, Oppositionspolitikerin in Belarus, spricht während einer Pressekonferenz der Opposition (Archivfoto).

Maria Kolesnikowa, Oppositionspolitikerin in Belarus, spricht während einer Pressekonferenz der Opposition (Archivfoto).

Foto: dpa/Ulf Mauder

Die belarussische Oppositionsführern Swetlana Tichanowskaja hat die mutmaßliche Verschleppung führender Vertreter des regierungskritischen Koordinierungsrates scharf verurteilt. „Die Regierung übt Terror aus, anders kann man das nicht bezeichnen“, heißt es in einer Erklärung der ehemaligen Präsidentschaftskandidatin von Montag aus ihrem Exil im Nachbarland Litauen. Die „Entführung“ der wichtigsten Repräsentantin des Rates in Minsk, Maria Kolesnikowa, sowie des Pressesprechers und des Sekretärs des Gremiums, Anton Rodnenkow und Iwan Krawzow, sei ein „Versuch, die Arbeit des Koordinierungsrats zu sprengen und seine Mitglieder einzuschüchtern“. Kolesnikowas Familienangehörigen gaben eine Vermisstenanzeige bei der Polizei auf, wie das Team des Ex-Bankenchefs Viktor Babariko am Abend mitteilte.

Die drei Oppositionellen wurden laut unabhängigen belarussischen Medien am Montagvormittag in Minsk von Unbekannten verschleppt. Vermutlich seien sie vom Geheimdienst oder anderen Staatsorganen festgenommen worden, hieß es. Die Polizei wies diese Darstellung allerdings zurück. Nach Angaben des Innenministeriums wurden am Sonntag landesweit 633 Menschen wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz festgenommen. 363 von ihnen sollen demnach vor Gericht gestellt werden.

Tichanowskaja betonte: „Die Regierung irrt sich, wenn sie glaubt, dass uns das aufhält.“ Je mehr sie einschüchtere, desto mehr Menschen gingen auf die Straße. Der Kampf für die Freilassung aller Gefangenen und für neue faire Wahlen werde fortgesetzt, so die Politikerin.

Die EU ist besorgt über das Verschwinden von belarussischen Oppositionellen. „Wir versuchen, die Fakten zu ermitteln“, sagte ein Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell am Montag zu Berichten, dass die Politikerin Maria Kolesnikowa und andere Aktivisten entführt wurden. Man sei zutiefst besorgt über die anhaltende Repression und Einschüchterung der Bevölkerung durch willkürliche oder politisch motivierte Festnahmen.

„Was wir in Belarus erleben, ist im Grunde die fortgesetzte Repression der Behörden gegen die Zivilbevölkerung, gegen friedliche Demonstranten, politische Aktivisten, Menschen, die ihre Meinung äußern und ihre Stimme hören wollen“, sagte der Sprecher. „Das ist völlig inakzeptabel.“

Der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert, verurteilte das Vorgehen der belarussischen Behörden. „Die einzige Antwort, die Lukaschenko und seine Leute derzeit zu haben scheinen, ist nackte Gewalt“, sagte Seibert in Berlin. Die Bundesregierung fordere die sofortige Freilassung derjenigen, die bei der Ausübung „demokratischer Bürgerrechte“ festgenommen worden sein.

Der Koordinierungsrat hatte sich nach der umstrittenen Präsidentenwahl vom 9. August auf Tichanowskajas Initiative gegründet. Er wirft der Regierung Betrug bei der umstrittenen Wiederwahl von Präsident Alexander Lukaschenko und Polizeigewalt gegen Demonstranten vor. Der Rat zählt laut eigenen Angaben etwa 4.600 Mitglieder. Am Sonntag hatten sich trotz eines großen Sicherheitsaufgebots mehr als 100.000 Menschen allein in der Hauptstadt Minsk an den Protesten beteiligt. Die Polizei nahm nach Angaben des Innenministeriums insgesamt 633 Demonstranten fest, so viele wie noch nie. 363 saßen demnach am Montag noch in Untersuchungshaft.

Trotz des wachsenden Drucks auch von Seiten der EU weigert sich Lukaschenko, den Demonstranten entgegenzukommen. Er spricht von einer „Verschwörung“ des Westens und setzt auf die Unterstützung Moskaus.

(ahar/özi/AFP/dpa/kna)
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