EU-Afrika-Spitzentreffen Über Asylanträge soll künftig schon in Afrika entschieden werden

Berlin/Paris · Frankreich holt Europäer und Afrikaner an einen Tisch, um die Flüchtlingsbewegung in den Griff zu bekommen. Doch nicht die Bekämpfung von Fluchtursachen war Thema. Es ging darum, das Mittelmeer für Flüchtlinge dicht zu machen.

 Beim Migrationsgipfel begrüßte der französische Präsident Emmanuel Macron (M) den Präsidenten des Niger, Mahamadou Issoufou (vorne r), und den Präsidenten des Tschad, Idriss Deby Itno (vorne l), im Elysee-Palast.

Beim Migrationsgipfel begrüßte der französische Präsident Emmanuel Macron (M) den Präsidenten des Niger, Mahamadou Issoufou (vorne r), und den Präsidenten des Tschad, Idriss Deby Itno (vorne l), im Elysee-Palast.

Foto: dpa, BC wal soe

Mit dem Kreis der Teilnehmer war bereits klar, dass es bei diesem EU-Afrika-Spitzentreffen zur Flüchtlingskrise eher nicht um die Bekämpfung der Fluchtursachen gehen würde, denn die Hauptherkunftsländer in Afrika von Eritrea über Nigeria bis Somalia waren nicht eingeladen. Auch die bessere Verteilung der Flüchtlinge in Europa war nicht Thema, denn die Hauptwiderstandsländer wie Polen und Ungarn waren ebenfalls nicht dabei.

Die Einladung an die Verantwortlichen von Niger, Tschad und Libyen als typische Transitländer machte deutlich, was das eigentliche Ziel des Treffens war: Nach der Balkan- auch die Mittelmeerroute zu schließen.

Dabei hat sich die Situation bereits drastisch entschärft. 11.500 Bootsflüchtlinge, die im Juli in Italien anlandeten — das waren schon "nur" noch halb so viele wie im Vorjahresmonat. Und 3082 bis zum 23. August — das ist ein Rückgang auf fast ein Zehntel. Dazu hat vor allem ein verschärftes Vorgehen der libyschen Polizei und Küstenwache beigetragen, aber auch das Einschreiten von Milizen.

Schlepperschiffe werden mit Gewalt gestoppt oder schon an der Abfahrt gehindert. Und wegen der unsicheren Lage haben Rettungsinitiativen ihre Schiffe aus den Gewässern zurückgezogen. Daraufhin gingen auch die Versuche von Schleppern zurück, Flüchtlinge auf den Seeweg zu bringen.

Freilich ist eine Verlagerung zu beobachten. Je schwieriger sich die Situation im mittleren Mittelmeer entwickelte, desto mehr wuchs die Fluchtbewegung über das westliche Mittelmeer. In Spanien kamen bereits 4500 Bootsflüchtlinge aus Marokko an, nachdem hier jahrelang kaum Versuche registriert wurden, von Afrika nach Europa zu wechseln.

Und so saß denn am Abend neben dem italienischen Ministerpräsidenten Paolo Gentiloni auch Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy zusammen mit EU-Außenbeauftragter Federica Mogherini am Konferenztisch im Elysée. Dort hatte sich der Gastgeber, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, eine Stunde vor dem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammengesetzt, um den Gipfel vorzubereiten.

Merkel wollte "Schritt für Schritt die illegale Migration reduzieren". Auch Macron hatte im Juli die Rivalen um die Macht in Libyen nach Frankreich geholt und ihnen die Zusicherung eines Waffenstillstandes abgerungen. Die damit verbundene Erwartung, nun in Libyen im großen Stil "Hotspots" nach griechischem Beispiel einzurichten, ließ er aber wieder fallen.

In den Aufnahmezentren sollten Flüchtlinge identifiziert und ihre Bleibeperspektive in Europa bereits geklärt werden, bevor sie — dann auf sicheren Wegen — nach Europa kommen. Doch dafür war die Sicherheitslage in Libyen noch viel zu unsicher. Das soll nun bereits vor dem Passieren der libyschen Grenzen in Niger und im Tschad geschehen — und zwar auf der Grundlage des UN-Flüchtlingshilfswerkes.

Unterstützt von europäischen Ländern sollen die Mitarbeiter unterscheiden zwischen Afrikanern, die als Flüchtlinge eine Bleibeperspektive in Europa haben, und denjenigen, die sich vor allem aus wirtschaftlichen Gründen auf den Weg gemacht haben. Die einen müssen zurück in ihre Heimatländer, die anderen können auf sicherem Weg nach Europa. Das ist das Konzept, um — unterstützt durch polizeiliches Vorgehen — die Schlepperorganisationen im großen Stil zu zerschlagen.

Am Vorabend hatten Deutschland und Ägypten bereits eine intensivere Zusammenarbeit beschlossen. Nach mehrmonatigen Verhandlungen verständigten sich die beiden Länder im Auswärtigen Amt darauf, die wirtschaftliche Kooperation zu verstärken und Gemeinden in Ägypten zu unterstützen, die Flüchtlinge zurücknehmen. Dafür sollen auch die Investitionen in die Bildung in Ägypten ausgeweitet und Ausbildungs- wie Arbeitsplätze geschaffen werden.

Auch im Grenzschutz gibt es eine verstärkte Zusammenarbeit. In diesem Zusammenhang hob Merkels Sprecher Steffen Seibert hervor, dass es Ägypten inzwischen gelungen sei, "illegale Abfahrten von seinen Küsten praktisch vollständig zu unterbinden".

Ähnliche Perspektiven lagen am Abend in Paris auch für weitere Transitländer auf dem Tisch, vor allem für eine Stabilisierung Libyens. "Gerade durch die zielgerichtete Unterstützung von rechtsstaatlichen Strukturen in Libyen lassen sich sehr kurzfristig erhebliche Fortschritte bei der Verbesserung der humanitären Situation erzielen", sagte Unions-Außenexperte Jürgen Hardt (CDU) unserer Redaktion. Konkrete Vereinbarungen zwischen Europäern und Afrikanern seien der "Schlüssel zur nachhaltigen Eingrenzung der Migrationsbewegung Richtung Europa".

Skeptisch blieb Linken-Außenpolitiker Stefan Liebich: "Tschad und Niger gehören zu den ärmsten Staaten der Welt und werden zudem von der islamistischen Terrorgruppe Boko Harm attackiert", erläuterte Liebich. Auch Libyen sei kein funktionierender Staat. "Diese Länder haben andere Sorgen, als die Flüchtlingsprobleme der EU zu lösen", so Liebich. Europa dürfe nicht noch mehr zur Festung werden.

(may-)
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