Parlamentswahlen am Dienstag Rechts gegen rechts in Israel

Umfragen sagen Ministerpräsident Netanjahu eine Niederlage voraus. Nun will er Teile des Westjordanlandes annektieren.

 Wahlplakate in Israel mit Gantz (2.v.l) und Netanjahu (3.v.r).

Wahlplakate in Israel mit Gantz (2.v.l) und Netanjahu (3.v.r).

Foto: dpa/Oded Balilty

Benny Gantz und seine Viererbande der starken Männer von Blau-Weiß verschafft Israels Regierungschef Benjamin schlaflose Nächte. Letzte Umfragen vor der Wahl am Dienstag geben Gantz einen Vorsprung von vier bis fünf Mandaten vor dem Likud. Dabei sah es noch vor wenigen Monaten so aus, als sei Netanjahus vierte Amtszeit in Folge so gut wie sicher. Das Volk sprechen lassen, das war sein Plan, und mit einem überragenden Wahlsieg den ihm drohenden Anklagen entkommen. Es hätte vermutlich geklappt, wäre nicht Gantz überraschend auf die Bühne gestiegen. Der Blitzstart des früheren Generalstabschefs ist beeindruckend. Obwohl er sich inhaltlich nur so weit festlegen wollte, dass er „weder links noch rechts“ sei, gaben ihm Umfragen eine echte Chance.

Selbst weite Teile der liberalen Mitte tendieren zu Blau-Weiß, auch wenn sie sich ideologisch mit der Partei kaum identifizieren können. Netanjahu warnt vor den Linken, als seien sie Pestkranke. Nur noch die linke Kleinstpartei Meretz fordert ein Ende der Besatzung im Westjordanland zum Ziel. Links gilt als abtrünnig und staatsfeindlich. „Ein palästinensischer Staat würde unsere Existenz bedrohen“, warnt Netanjahu. und wirft seinen Gegnern von Blau-Weiß vor, Hand in Hand mit den israelischen Arabern die Interessen der Nation zu verraten – mit Zugeständnissen an den palästinensischen Feind auf Kosten von Israels Sicherheit. Genau das Gegenteil ist der Fall: Gantz lehnt eine Koalition mit den arabischen Listen ab. Weder die Zweistaatenlösung noch der Begriff Palästinenserstaat findet im blau-weißen Parteiprogramm Erwähnung. Stattdessen will man den Siedlungsbau vorantreiben und Jerusalem „niemals teilen“.

Dass mit einer linken Agenda in Israel keine Wahl zu gewinnen ist, hat Gründe. Die Terrorwelle in den Jahren 2000 bis 2003 war unmittelbare Konsequenz der gescheiterten Friedensverhandlungen in Camp David. Rund 1000 Israelis kamen damals bei Anschlägen zu Tode.

Israels Regierung steht auch international nicht mehr unter dem Druck, einen Friedensprozess voranzutreiben und den Siedlungsbau einzustellen. Netanjahu rühmt sich zurecht der verbesserten Beziehungen zu einer Reihe von arabischen Staaten. Gerade rechtzeitig zu den Wahlen beschert ihm zudem Russlands Präsident Wladimir Putin die sterblichen Überreste eines seit 37 Jahren vermissten Soldaten, und US-Präsident Donald Trump erklärt die Golanhöhen zu israelischem Gebiet.

Wenn es rechts so gut funktioniert, warum dann nicht noch ein wenig rechter. „Wir müssen unser Schicksal selbst kontrollieren“, stellt Netanjahu fest und kündigt im Endspurt seines Wahlkampfes an, Teile des Westjordanlandes zu annektieren. Diese offene Abkehr von der Zweistaatenlösung stand bisher nur im Programm der Siedlerpartei. Zudem kündigte Netanjahu ein 

Netanjahus Kampagne geht über außenpolitische Fragen hinaus. Die „Linke“, das sind nicht nur die Gegner der Besatzung, sondern auch seine persönlichen Feinde, allen voran die Medien. Dass er überhaupt jemals in den Verdacht der Korruption geraten ist, sei Werk der Journalisten, die wiederum Einfluss nehmen auf die Polizei und den Oberstaatsanwalt.

Sollte Netanjahu auch die kommende Regierung stellen, wird er alles daransetzen, eine Gesetzreform voranzutreiben, die ihm Immunität garantiert. Nochmal vier Jahre unter Netanjahu gäbe auch Justizministerin Ajelet Schaked Gelegenheit, weiter an den Grundpfeilern der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung zu nagen. Schon kündigte sie dem Obersten Gerichtshof, der einst die Zwangsausweisung afrikanischer Flüchtlinge verhinderte und die Rechte palästinensischer Grundbesitzer schützt, den offenen Kampf an. .

 Wahlplakate in Israel mit Gantz (2.v.l) und Netanjahu (3.v.r). Der Schriftzug links heißt „Die Nation Israel lebt“, der Schriftzug rechts „Kahana lebt“ mit Bezug auf eine frühere rechtsextreme Partei.

Wahlplakate in Israel mit Gantz (2.v.l) und Netanjahu (3.v.r). Der Schriftzug links heißt „Die Nation Israel lebt“, der Schriftzug rechts „Kahana lebt“ mit Bezug auf eine frühere rechtsextreme Partei.

Foto: dpa/Oded Balilty

So wenig die Palästinenser von Blau-Weiß zu erwarten haben – innenpolitisch ist die neue Liste eine Alternative. Gantz will der Polarisierung im Volk entgegenwirken. „Links und rechts sind passé“, sagt er. Die Demokratie zu retten, wäre die zentrale Mission von Blau-Weiß und eine offene, inhaltliche Streitkultur in Israel wiederzubeleben. Es ist eine Richtungswahl.

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