Bruderkampf um Labour-Führung Beben in Manchester

Manchester (RPO). Paukenschlag an der Spitze der britischen Labour-Partei: Mit einem hauchdünnen Vorsprung setzte sich der 40-jährige Ed Miliband am Wochenende bei der Wahl eines neuen Vorsitzenden gegen seinen favorisierten älteren Bruder David Miliband durch.

 Ed Miliband (rechts) besiegte seinen Bruder David im Kampf um den Labour-Vorsitz.

Ed Miliband (rechts) besiegte seinen Bruder David im Kampf um den Labour-Vorsitz.

Foto: AFP, AFP

"Progressive Zukunft gestalten" lautet das Motto des Labour-Parteitags in Manchester. Doch der Weg in diese Zukunft könnte für die Mitte-Links-Partei steiniger werden als erhofft. Vier Monate nach dem Wahldebakel hat Labour am Wochenende den öffentlich wenig bekannten Ex-Energieminister Ed Miliband zum neuen Parteichef gewählt. Dabei hat jedoch die britische Opposition eine kritische Spaltung offenbart.

Im Finale des spannenden Wahlrennens schlug der 40-jährige Ed als Top-Kandidat der Gewerkschaften und linken Traditionalisten mit einem knappen Vorsprung von 1,3 Prozent seinen Bruder David, der als früherer Außenminister die Interessen des reformorientierten zentristischen Flügels vertritt. Das Finale des Bruderkampes läutet damit das Ende von "New Labour" ein. Es wird den Wahlverlierern nach ihrem Kurswechsel allerdings schwer fallen, gegen die populäre Koalitionsregierung von David Cameron zu punkten, weil ein großer Teil der Partei nicht hinter Ed Miliband steht.

Es ist, als wähnte sich Labour noch immer an der Macht. Der Parteitag beginnt wie immer mit großspurigen Videoclips, in denen die Errungenschaften von Gordon Brown und Tony Blair gepriesen werden. Plötzlich steht Brown selbst auf der Bühne, entspannter und glücklicher, als je zuvor. "Jemand bot mir einen Job an und bat mich um mein Zeugnis", sagt vergnügt der gescheiterte Premier. "Ich wusste, dass Tony eins schreibt, aber ich ahnte nicht, dass es 700 Seiten lang werden würde", scherzt Brown in Anspielung auf Blairs Autobiografie, in der er hart angegriffen wurde. Zum Abschied bekennt sich der uncharismatische Schotte "schuldig" für die Wahlniederlage, ehe er seiner Partei prophezeit: "Ihr wählt heute den nächsten Regierungschef".

Dann kommt der Augenblick, auf den Labour so lange gewartet hat. Balkendiagramme flimmern auf einer Leinwand. Der Weg an die Partei-Spitze ist kompliziert: Jeder der fünf Kandidaten braucht die Unterstützung der Fraktion, Partei und Gewerkschaften, die jeweils je 33 Prozent der Stimmen haben. Während die Außenseiter des Rennens ausscheiden, werden ihre Zweitstimmen den führenden Milibands angerechnet.

Nach der dritten Runde liegt David an der Spitze. "Und der Sieger ist…": Als in der vierten Runde der Name Ed fällt, sind alle schockiert. Mit 50,65 Prozent zu 49,35 Prozent hat der kleine Bruder den Favoriten geschlagen. Die Parteimitglieder springen auf, sie jubeln, applaudieren — und lächeln ungläubig, als hätten sie soeben ein Erdbeben erlebt.

"Red Ed"? Der von den Tories verspottete linke Umweltfreund als Labours Retter? Die Partei hatte eher mit David gerechnet. Miliband Junior war später gestartet als sein Bruder und er hatte weniger Geld zur Verfügung. Doch fiel seine Kampfansage an die "Armut und Ungerechtigkeit" bei den Gewerkschaften auf den fruchtbaren Boden, die Labours wichtigster Geldgeber sind. Ed hat außerdem mehr junge Parteimitglieder für sich gewonnen, die er über ein Netzwerk von 4000 Helfern mobilisieren konnte. "Heute beginnt die Arbeit der neuen Generation bei Labour, die die Notwendigkeit der Veränderungen versteht", sagt der aufgewühlte Sieger. "Als erstes will ich die Partei einigen".

Zunächst muss der neue Oppositionschef jedoch für Harmonie in seiner Familie sorgen. "David, ich liebe dich so sehr. Ich habe Respekt vor deiner Stärke": Mit diesen Worten reichte der Sieger dem Verlierer von der Bühne die Hand zur Versöhnung, während der blasse und verstörte David Miliband ohne eine Spur des Lächelns seinen Lebenstraum in die Brüche gehen sah.

Später hatte er sich jedoch wieder gefasst und Ed öffentlich zu dessen "großen Tag" gratuliert. Der neue Labour-Chef will angeblich David Miliband den Posten des Schatten-Finanzministers in seinem Kabinett anbieten, um eine Brücke zum rechten Flügel der Partei zu schlagen. Es ist jedoch unklar, ob sich große Bruder mit der Rolle der Nummer Zwei zufrieden gibt.

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