Bürgerkrieg in Syrien Assad enteignet die Flüchtlinge

Düsseldorf · Ein neues Baugesetz droht vielen Vertriebenen ihren Besitz zu nehmen. Es passt in die Strategie des Regimes, das Land demografisch nach politischer Loyalität neu zu ordnen. Die Rückkehr von Millionen Syrern steht damit infrage.

 Häuser in Douma nahe Damaskus (Archivbild).

Häuser in Douma nahe Damaskus (Archivbild).

Foto: dpa, zeus lil fgj

Die syrische Regierung kann Flüchtlingen ihre Wohnungen, Häuser und Grundstücke wegnehmen. Können die Betroffenen vor Ort nicht nachweisen, dass der Besitz ihnen gehört, wird der versteigert oder geht direkt an den Staat.

Eine zusätzliche Milliarde Euro hat Deutschland nun für die Opfer des syrischen Bürgerkriegs zugesagt. Seit Beginn des Konflikts hat Berlin bereits 4,5 Milliarden Euro zu Verfügung gestellt, um die Not in Syrien und den Nachbarländern zu lindern, wo Millionen Syrer Zuflucht gefunden haben. Die Hoffnung freilich, dass diese Menschen irgendwann in ihre Heimat zurückkehren könnten, hat jetzt einen neuen Schlag erhalten. Wie es aussieht, will das Regime von Baschar al Assad vielen Flüchtlingen die Heimkehr gezielt verbauen.

30 Tage Zeit für Besitznachweis

Vor drei Wochen erließ Assad ein Dekret mit potenziell dramatischen Folgen. Das "Gesetz Nummer zehn" eröffnet der Regierung die Möglichkeit zu massenhaften Enteignungen von Grund- und Immobilienbesitz. Es sieht vor, dass per Dekret neue Entwicklungspläne aufgestellt werden können, um den Wiederaufbau des vom Krieg weitflächig zerstörten Landes zu steuern. In den betroffenen Gebieten müssen Besitzer von Wohnungen, Gebäuden oder Grundstücken ihre Eigentumsrechte nachweisen, und zwar innerhalb von nur 30 Tagen. Gelingt ihnen das nicht, kann ihr Eigentum versteigert werden oder direkt dem Staat zugeschlagen werden.

Von den 21 Millionen Syrern sind im Verlauf des Bürgerkriegs knapp sechs Millionen ins Ausland geflüchtet, weitere rund sechs Millionen gelten als Binnenflüchtlinge. Den wenigsten von ihnen wird es möglich sein, den geforderten Nachweis zu erbringen. Zum einen, weil es nur etwa für die Hälfte des Landes nach einer Übersicht der Weltbank überhaupt Kataster gibt. Von den existierenden Verzeichnissen sind zudem viele im Krieg zerstört worden, etwa in der Stadt Homs. Die meisten Flüchtlinge haben außerdem keine Besitztitel mitgenommen.

Keine Chancen für Assad-Gegner

Zum anderen verlangt Assads Dekret, dass die Eigentümer entsprechende Nachweise persönlich vorlegen oder einem Verwandten eine Vollmacht ausstellen. Dafür allerdings ist eine Zustimmung der Sicherheitsbehörden nötig - womit Assad-Gegner keine Chance mehr haben, an die Papiere zu gelangen. Es wäre lebensgefährlich: Auf einer Liste der syrischen Geheimdienste stehen die Namen von 1,5 Millionen Syrern, die vom Regime wegen "Terrorismus" gesucht werden.

Für die syrische Opposition ist Assads Wiederaufbau-Dekret daher in Wirklichkeit ein Hebel, um in Syrien eine Art ethnische Säuberung durchzuführen: Aus dem ökonomisch entwickelten Teil des Landes rund um die Hauptstadt Damaskus sowie den Zentren Homs, Aleppo und der Küstenregion sollen systematisch jene Bevölkerungsgruppen vertrieben werden, die dem Regime ablehnend gegenüberstehen, darunter vor allem Angehörige der sunnitischen Bevölkerungsmehrheit.

Assad plante Gesetz schon im Sommer 2017

Verbleiben sollen in Assads Kern-Syrien vor allem jene Minderheiten, als deren Schutzherr sich der Diktator geriert: Alawiten (rund ein Viertel der Bevölkerung), Christen (fünf Prozent), Drusen (vier Prozent), Schiiten (drei Prozent) und Ismaeliten (zwei Prozent).

Dass er solche Pläne hegt, deutete Assad bereits im Sommer 2017 an. Zwar habe der Krieg seinem Land schwer geschadet, räumte er in einer Rede ein, dafür aber habe es nun "eine gesündere und homogenere Gesellschaft". Auch Assads Kriegsstrategie ist schon seit einiger Zeit darauf ausgerichtet, sich ein "homogenes" - will sagen: seinem Regime ergebenes - Syrien zusammenzuraffen.

Strategisch wichtige Gebiete, in denen die Opposition über Rückhalt verfügt, werden sturmreif geschossen und belagert, bis die Eingeschlossenen einem Abzug zustimmen. Zuletzt geschah dies in Ost-Ghuta bei Damaskus, wo allein 160.000 Menschen über Nacht nur mit der nötigsten Habe ihre Heimat verlassen mussten. Insgesamt wird die Zahl der auf diese Weise gezielt Vertriebenen auf eine Dreiviertelmillion geschätzt.

Folgen für Deutschland

Neben der demografischen Komponente ist aber auch der finanzielle Aspekt für Assad von großer Bedeutung. Schließlich kann er durch massenhafte Enteignungen von Flüchtlingen die leeren Staatskassen füllen und zugleich loyale Anhänger sowie seine Verbündeten mit lukrativen Bauaufträgen belohnen. Viele der potenziell betroffenen Grundstücke befinden sich in attraktiven Lagen der drei größten syrischen Städte Damaskus, Aleppo und Homs, die das wirtschaftliche Rückgrat des Landes bilden.

Als fatal für die Betroffenen wie auch für ihre Gastländer bezeichnet der außenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Bijan Djir-Sarai, das Assad-Dekret: "Dieses Vorgehen kann auch zu innenpolitischen Folgen für Deutschland führen. Viele im Ausland lebende Syrer haben keinerlei Anreize mehr, in ihre Heimat zurückzukehren."

(bee / qua)
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