Kongresswahlen in den USA Barack Obama zittert vor der Angst-Wahl

Washington (RP). Bei den Kongresswahlen am 2. November droht den Demokraten der Absturz. Demoskopen prophezeien eine konservative Mehrheit im Repräsentantenhaus und ein Patt im Senat.

Kongresswahlen in den USA: Barack Obama zittert vor der Angst-Wahl
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Vorweg eine Faustregel: Seit 1862 werden Regierungsparteien fast immer abgestraft bei der ersten Zwischenwahl eines neuen US-Präsidenten, zwei Jahre nach seinem Amtsantritt. Wird der Kongress neu bestimmt, müssen sie mit einer derben Schlappe rechnen.

Für Barack Obama bedeutet es eine harte Landung auf dem Boden der Tatsachen. Bestätigt sich der Stimmungstrend, verlieren seine Demokraten am 2. November die Mehrheit im Parlament. Damit kann er keine großen Reformen mehr durchsetzen, denn die werden vom politischen Gegner blockiert. Obama wäre dann ein Präsident, der kleinere Brötchen backt, zumindest innenpolitisch.

Überraschend käme es nicht. Amerikaner mögen "checks and balances", es ist ihnen fast unheimlich, jedenfalls nicht der Normalzustand, wenn eine Partei Exekutive und Legislative zugleich kontrolliert. Dabei spielt es keine Rolle, ob ein Demokrat oder ein Republikaner im Oval Office sitzt.

Es gibt Ausnahmen, aber die lassen sich an den Fingern einer Hand abzählen. 1934 legten Franklin D. Roosevelts Demokraten zu, weil die Wähler nur ihm in den Wirren der Weltwirtschaftskrise vertrauten. 2002 rollte nach dem Terror des 11. September eine kräftige patriotische Welle durchs Land, so dass George W. Bushs Republikaner ihre Mehrheit noch ausbauen konnten.

Diesmal ist es ein Gefühl allgemeiner Verunsicherung, das die Stimmung in den Vereinigten Staaten prägt. Nach einer Umfrage der "Washington Post" glauben nur 26 Prozent der US-Bürger, dass ihr Land in die richtige Richtung marschiert. 59 Prozent, so viele wie selten zuvor, sehen es auf dem falschen Weg. Und mehr als die Hälfte gibt dem Kabinett Obamas die Schuld.

"Es ist die Angst vor dem Niedergang", sagt Thomas Mann, Wahlexperte der Brookings Institution, Washingtons angesehenster Denkfabrik. "Die Angst wegen unsicherer Jobs. Die Angst vor sozialem Abstieg. Die Angst, dass Kinder und Enkel nicht mehr die gleichen Chancen haben wie ihre Eltern." Die Wirtschaft wächst langsamer, als es Fachleute noch vor Monaten prophezeiten. Die Arbeitslosigkeit liegt unverändert hoch bei fast zehn Prozent. Sinkende Immobilienpreise bedeuten bei einer Nation von Hauseigentümern, dass sich viele Menschen ärmer fühlen als 2006, bevor die Preisblase platzte.

Vom legendären amerikanischen Optimismus ist da nur wenig zu spüren. Vielmehr rollt eine Lawine der Enttäuschung auf die Demokraten zu, einfach, weil sie aktuell die Verantwortung tragen. Über das Ob der Niederlage wird kaum noch debattiert, es geht nur noch darum, wie hoch sie ausfällt.

Die Website Real Clear Politics (RCP), die den Mittelwert aller Meinungsumfragen ermittelt, sieht die Republikaner 210 Sitze des Repräsentantenhauses gewinnen, die Demokraten 186. Bei den übrigen 39 Mandaten steht es auf der Kippe. Im Senat, wo nur ein Drittel der Sitze zur Wahl steht, kann die Partei Obamas vielleicht eine knappe Mehrheit behaupten.

RCP rechnet mit 48 demokratischen und 46 republikanischen Senatoren und sechs Duellen, die zu knapp sind für eine Vorhersage. Nevada, Wisconsin und Washington gelten als Stimmungsbarometer, drei Bundesstaaten mit den spannendsten Rennen.

Im wüstentrockenen Nevada trifft Harry Reid, der kompetente, gleichwohl farblose demokratische Mehrheitsführer im Senat, auf Sharron Angle, eine der Senkrechtstarterinnen der Tea-Party-Bewegung. Angle will die staatliche Rente abschaffen, das Bildungsministerium auflösen und die Kompetenzen des Bundes auf ein Minimum zurechtstutzen.

Reid steht allein seines Amts wegen als Symbol für den Politikbetrieb der fernen, fremden Hauptstadt mit ihren emsigen Lobbyisten und windelweichen Kompromissen. Gegen einen Konservativen alter, moderater Schule wäre er vermutlich chancenlos. Verliert er gegen Angle, ist es ein Paukenschlag.

In Wisconsin stellt sich mit Russ Feingold ein Senator zur Wiederwahl, den seine Anhänger schätzen, weil er gern gegen den Strich bürstet. Feingold hat den Einmarsch im Irak schon abgelehnt, als die meisten seiner Kollegen es noch anders sahen.

Jedes Mal, wenn der Kongress höhere Diäten beschließt, weigert er sich, mehr Geld zu beziehen. Seinem Widersacher Ron Johnson, einem millionenschweren Plastikfabrikanten, stärkt die Tea Party den Rücken. Würde Feingold nach 18 Senatsjahren abgewählt, wäre auch dies eine kleine Sensation.

Schließlich Patty Murray, Senatorin aus Seattle im Pazifikstaat Washington. Die Lehrerin begann sich für Politik zu interessieren, als sie ihren Kurs am Community College, vergleichbar mit der Volkshochschule, vor dem Rotstift zu retten versuchte.

Den Ausschlag gaben die abfälligen Worte eines Lokalpolitikers: "Sie sind ja nur eine Mama in Tennisschuhen, Sie werden gar nichts bewirken." 1992 zum ersten Mal in den Kongress delegiert, pflegt Murray das Image bodenständiger Volksnähe. Zieht auch sie den Kürzeren, läuft es für die Demokraten auf ein Debakel hinaus.

(RP)
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