Obama vor schwerer NSA-Entscheidung Echte Reform oder Kosmetik?

Washington · Was traut sich Obama? Anfang kommenden Jahres will er entscheiden, wie weit die NSA künftig bei ihren Spähprogrammen gehen darf. Kritiker glauben bislang nicht an durchgreifende Änderungen.

Barack Obama steht vor schwerer Entscheidung über NSA
Foto: ap, Carolyn Kaster

Edward Snowden hält die Öffentlichkeit mit seinen Enthüllungen über die massiven NSA-Spähaktivitäten weiter in Atem. Das Thema bleibt hartnäckig in den Schlagzeilen, auch international. Umso mehr wächst die Spannung, was US-Präsident Barack Obama Anfang kommenden Jahres an Reformen bei der Geheimdienstarbeit verkünden wird. Bislang ist unklar, wie weit er sich zu gehen traut. Aber derzeit sieht es eher nicht danach aus, als ob der NSA die Zügel derart angelegt werden, dass Bürgerrechtler und andere Kritiker im In- und Ausland damit zufrieden wären.

Darauf deutet Obamas am Wochenende bekanntgewordene Entscheidung hin, das im Pentagon angesiedelte Cyberkommando und die NSA-Führung auch nach dem Ausscheiden des bisherigen Geheimdienstchefs Keith Alexander in einer Hand zu belassen. Eine Reihe von Kritikern - auch in den Reihen der US-Regierung - haben diese Doppelfunktion seit langem beanstandet.

Zum einen, so argumentieren sie, fällt damit das Amt zwangsläufig stets einem Angehörigen des Militärs zu, der sich naturgemäß weniger von privatrechtlichen Erwägungen leiten lassen dürfte als ein Zivilist. Zum anderen mache die Anhäufung von derart viel Macht in einer einzelnen Hand Missbrauch leichter möglich. "Das ist ein Fehler", sagte denn auch ein hoher Regierungsbeamter der "Washington Post" zufolge.

Vor allem Bürgerrechtler halten Obamas Entscheidung für alarmierend - zumal er sie offensichtlich getroffen hat, ohne Empfehlungen einer Expertenkommission für NSA-Reformen abzuwarten. Der Präsident erhielt das Bündel von etwa 40 Vorschlägen erst am Freitag, will es zusammen mit den Ergebnissen regierungsinterner Reformüberlegungen prüfen und dann vermutlich im Januar entscheiden. Nach dem, was bisher in den Medien durchsickerte, lässt sich noch schwer einschätzen, was eine Umsetzung der Empfehlungen wirklich bedeuten würde.

Geteilte Meinung der Experten

So unterschieden sich denn auch Medien in ihren ersten Reaktionen. Die einen nennen die vorgeschlagenen Reformen tiefgreifend. Sie heben - wie beispielsweise das "Wall Street Journal" - hervor, dass der massiven Sammlung von Milliarden Telefondaten daheim durch die USA ein Ende gesetzt würde, folgte Obama dem Expertenvorstoß. Dieser sieht Berichten zufolge vor, dass das schwer umstrittene Programm weitergehen darf, aber die Daten künftig bei Telefongesellschaften oder einer dritten Partei und nicht bei der NSA gespeichert werden sollen.

Das halten Kritiker zwar für einen Fortschritt, weil der Geheimdienst dann beim Durchsuchen der Dateien strikteren Regeln folgen müsste als es ihm bisher abverlangt worden ist. Aber das reiche nicht aus. Eine Datensammlung durch Dritte sei keine Lösung, sagt beispielsweise Michelle Richardson von der Bürgerrechtsorganisation ACLU. Es gehe kein Weg daran vorbei, dass der Kongress das Datensammeln im bisherigen Umfang komplett verbiete.

Auch der britische "Guardian", über den Snowden den größten Teil seiner Enthüllungen transportiert hat, zitierte einen Berater der Expertenkommission mit den Worten, das Gremium habe nach möglichst "bescheidenen" Reformen gesucht, die es erlaubten, nach dem Sturm der Empörung über die Schnüffeleien "zum Business as usual zurückzukehren".

Die gemischten Reaktionen scheinen widerzuspiegeln, dass die Kommission versucht hat, es beiden Seiten recht zu machen: grünes Licht für die Weiterführung umstrittener Programme, aber mit einigen Einschränkungen und mehr Kontrollen. Und so dürfte sich auch Obama aus der Affäre zu ziehen versuchen. Im Kern hat er die meisten der unter seinem Vorgänger George W. Bush gestarteten Spähprogramme mit dem Argument unterstützt, diese dienten der nationalen Sicherheit. Viele Experten erwarten daher, dass er kaum über die Vorschläge der Kommission hinausgehen wird.

Mangelndes Vertrauen

Damit könnte es ein Gefüge geben, bei dem am Ende kaum jemand weiß, was denn wirklich anders geworden ist. So ist denn auch die "New York Times" skeptisch. "Sogar wenn die NSA-Aktivitäten gestutzt werden, könnte es schwer sein, die Amerikaner - oder Deutsche, Mexikaner und Brasilianer - zu überzeugen, dass sich die Praktiken der Behörde geändert haben", schrieb die Zeitung am Wochenende. "Es könnte zum Teil davon abhängen, wie viel öffentliche Transparenz in Programme eingebaut werden, die die Regierung seit Jahren verhüllt hat."

Ein Problem kommt offenbar noch hinzu. Wie die Zeitung am Samstag online unter Berufung auf hochrangige Regierungsvertreter berichtete, ist den Behörden das Ausmaß des Snowden-Datenklaus noch immer nicht bekannt. Damit befasste Ermittler seien zu dem Schluss gekommen, dies möglicherweise nie klären zu können. Zu versiert sei Snowden unter anderem vorgegangen. Seine Enthüllungen dürften also weiterhin für Wirbel sorgen - auch im US-Regierungsapparat.

(dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort