Proteste am Nationalfeiertag Bange Stunden in Hongkong

Duldet die chinesische Staatsführung auch am Nationalfeiertag Proteste in Hongkong? Die systemkritischen Studenten haben neue Blockaden errichtet. Einige drehen Chinas Flagge demonstrativ den Rücken zu. Die Proteste erreichen neue Stadtteile. Die KP lässt im Internet so viel löschen wie möglich. Bisher hält sich die Polizei zurück.

 Die Demokratiebewegung in Hongkong zeigt trotz aller Drohungen keine Bereitschaft zum Einlenken.

Die Demokratiebewegung in Hongkong zeigt trotz aller Drohungen keine Bereitschaft zum Einlenken.

Foto: dpa, ds ms

Mit Gesängen und Buhrufen begleiteten pro-demokratische Demonstranten am Morgen das traditionelle Hissen der Flaggen Chinas und Hongkongs auf dem Golden Bauhinia Square. Die Polizei schritt zunächst nicht ein.

Der pro-demokratische Abgeordnete Leung Kwok Hung wurde von Sicherheitskräften abgeführt, als er kurz vor Abspielen der chinesischen Nationalhymne lauthals "echte Wahlen" forderte. Als Zeichen seiner Unterstützung für die Demokratiebewegung spannte Bezirksrat Paul Zimmermann mitten während der Zeremonie zum Nationalfeiertag einen gelben Regenschirm auf.

Heftiger Regen

An der Zeremonie nahmen neben dem umstrittenen Chef der Sonderverwaltungszone, Leung Chun Ying, und Chinas wichtigstem Vertreter Zhang Xiaoming weitere Ehrengäste vom Festland teil. In einer anschließenden Rede ging Leung nicht ausdrücklich auf die Proteste ein. Er sagte lediglich, es sei zwar verständlich, wenn es unterschiedliche Meinungen zu den erwünschten Reformen gebe, jedoch seien "allgemeine Wahlen" allemal besser als keine. Gleichzeitig beschwor er die Notwendigkeit zur Zusammenarbeit zwischen Hongkong und dem Festland.

Viele der Demonstranten hatten zuvor trotz heftigen Regens erneut die Nacht im Freien verbracht. Die anschließende Kundgebung am Morgen blieb friedlich, Reihen von Studenten bildeten einen Puffer zwischen Polizei und Demonstranten. Deren Zahl dürfte sich im Laufe des Tages weiter erhöhen.

Zehntausende werden wieder erwartet

Die Demonstrationen weiteten sich auf das populäre Einkaufsviertel Tsim Sha Tsui auf der Halbinsel Kowloon aus, das auch bei Touristen sehr beliebt ist. Am Nationaltag werden wieder Zehntausende auf den Straßen erwartet, um mehr Demokratie in der früheren britischen Kronkolonie zu fordern.

Mit einem Schweigeprotest begleiteten die Demonstranten die morgendliche traditionelle Flaggenzeremonie, während Regierungschef Leung Chun-ying und Ehrengäste bei einem offiziellen Empfang mit Sektgläsern auf den Feiertag anstießen. Demonstrativ wandten Studentenführer Joshua Wong und andere Aktivisten der Zeremonie den Rücken zu, als die Flaggen Chinas und Hongkongs gehisst wurden. Die Demonstranten hielten schweigend die Hände über Kopf gekreuzt.

Ultimatum

Die Studenten haben der Regierung ein Ultimatum bis Donnerstag gestellt, um ihre Forderungen nach dem Rücktritt des Regierungschefs und einer Rücknahme der Pläne für eine nur begrenzte Wahlreform zu erfüllen. Ansonsten drohen sie damit, ihre Proteste noch auszuweiten, zu einem Arbeiterstreik aufzurufen oder ihre Aktionen zu verschärfen, indem sie ein Regierungsgebäude besetzen.

Ban Ki Moon appelliert

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon rief zur Zurückhaltung auf. Die Proteste seien eine innere Angelegenheit, doch dränge er alle Verantwortlichen, "Differenzen auf eine Weise zu lösen, die friedlich ist und demokratische Grundsätze wahrt", sagte ein UN-Sprecher laut US-Medien. Seit der Rückgabe 1997 an China wird die ehemalige britische Kronkolonie nach dem Grundsatz "ein Land, zwei Systeme" als eigenes Territorium autonom regiert. Auch genießt die asiatische Hafenmetropole Presse- und Meinungsfreiheit.

Die Proteste waren über Nacht weiter friedlich verlaufen, während sich die Polizei zurückhielt, um Konfrontationen wie in der Nacht zum Montag zu verhindern. Heftiger Regen dünnte die Scharen etwas aus.
Tausende blockierten aber am Morgen weiter wichtige Straßen in Stadtteilen wie Admiralty und Wan Chai am Finanzbezirk in Central und in Kowloon neben Mong Kok jetzt auch Tsim Sha Tsui. Das Feuerwerk zum Nationaltag, den die sieben Millionen Hongkonger mit zwei arbeitsfreien Tagen begehen, wurde abgesagt.

Zensur

Die chinesische Zensur unternahm weiter große Anstrengungen, um die Verbreitung von Nachrichten aus Hongkong in der Volksrepublik zu unterbinden. Der Satellitenempfang des amerikanischen Senders CNN und der britischen BBC wurde gestört, wenn Berichte zu Hongkong kamen.

Erstmals wurde am Mittwoch auch die Webseite der englischsprachigen Hongkonger Zeitung "South China Morning Post" geblockt. In Chinas sozialen Medien werden massenhaft Kommentare zu Hongkong gelöscht.
Twitter, Facebook oder Youtube sind in China ohnehin immer gesperrt.

(dpa AFP)
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