Ärger über neu geplanten Flughafen Aufstand von Frankreichs Wutbürgern
Nantes/Paris · Die Parallelen zum Tiefbahnhof "Stuttgart 21" sind unübersehbar: Das Projekt eines neuen Flughafens in der Nähe der westfranzösischen Metropole Nantes treibt Umweltschützer, Grüne und Landwirte auf die Barrikaden.
Man könnte das Projekt als ein "Stuttgart 21" à la française bezeichnen: der geplante Bau des Regionalflughafens Notre-Dame-des-Landes bei Nantes. Seit Jahren schon laufen Umweltschützer und von der Enteignung bedrohte Landwirte Sturm gegen den Airport, der 2017 in Betrieb gehen soll. Doch zuletzt hat sich der Protest stark politisiert — zumal einer der entschiedensten Verfechter, der Bürgermeister von Nantes, Jean-Marc Ayrault, inzwischen sozialistischer Premierminister ist.
Als "Ayraultport" verunglimpfen die Flughafengegner das Projekt — auch wenn die ersten Ideen dazu bereits auf die 60er Jahre zurückgehen. Lange lagen die Pläne in der Schublade, bis sie der damalige konservative Präsident Jacques Chirac sowie sein sozialistischer Premier Lionel Jospin wieder hervorholten und Chiracs Nachfolger Nicolas Sarkozy die Umsetzung vehement vorantrieb.
Kosten von rund 550 Millionen Euro
Der neue Großflughafen soll den jetzigen Airport Nantes-Atlantique ersetzen und rund 550 Millionen Euro kosten. Die Gegner sehen diese Summe indes als viel zu niedrig an und sprechen eher von bis zu drei Milliarden Euro. Anwohner und Bauern, die ihre Grundstücke und Höfe verkaufen sollten, waren die ersten, die sich gegen das Projekt wehrten. Aus Sorge um Fluglärm, Landschaft und Grundwasserschutz schlossen sich im Laufe der Zeit Umweltschützer und Grüne dem Protest an, bis nach und nach auch Globalisierungsgegner, wie der charismatische Bauernführer und heutige EU-Abgeordnete José Bové, sowie Linkssympathisanten aller Couleur dazukamen.
Demonstrationen, Happenings, Hungerstreiks und Besetzungsaktionen waren die Folge. Seit einigen Wochen nun weitet sich der Protest massiv aus. Ende November demonstrierten nach Angaben der Organisatoren 40.000 Menschen gegen das Projekt. Dabei kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen mit der Polizei, die Tränengas einsetzte. Mehrere Menschen wurden verletzt, andere wurden festgenommen. Die Sicherheitskräfte hatten von den Flughafen-Gegnern auf dem Baugelände errichtete Hütten abgerissen. Inzwischen haben die Protestler ihr Camp wieder aufgebaut und schützen es mit Traktoren gegen Räumungsversuche.
Am Mittwoch kam es auf dem 1650 Hektar großen Gelände erneut zu Ausschreitungen. Daraufhin genehmigte das zuständige Gericht in Saint-Nazaire ausdrücklich den Einsatz der Staatsmacht, um die Protestler zu vertreiben. Der Erlass sieht die "Zerstörung der Hütten" sowie die Ausweisung der Demonstranten vor. Sollte der zuständige Präfekt von der Vollmacht Gebrauch machen, könnte die Lage in den kommenden Tagen explodieren. "Sollte es Ausweisungen geben, wird sich die Situation verschärfen", warnte bereits die Grünen-Abgeordnete Barbara Pompili und forderte die Beteiligten erst einmal zum Gespräch auf.
Eine Kommission soll den Dialog suchen
Die französische Regierung hat "im Bemühen, die Lage zu beruhigen" eine Kommission eingesetzt, die den Dialog mit allen Betroffenen suchen und in drei Monaten einen Bericht vorlegen soll. Gleichzeitig bekräftigte sie aber auch ihr Festhalten an dem Projekt, dessen Notwendigkeit unter Verkehrsexperten umstritten ist. Der neue Großflughafen werde "auf jeden Fall" 2017 in Betrieb genommen, erklärte eine Regierungssprecherin.
Für Ayrault ist der Airport "eine Antwort auf die Herausforderungen unserer Zeit" — für die linke Regierung könnte er zum Spaltpilz werden, bringt er doch die Grünen als Koalitionspartner in eine Zwickmühle: Während der sozialistische Innenminister Manuel Valls den Polizei-Einsatz verteidigt, verlangen die Grünen den Rückzug der Sicherheitskräfte vom Gelände. Schon denken grüne Spitzenpolitiker, wie der Abgeordnete Noel Mamère, laut über einen Rückzug der beiden Minister aus der Koalition nach.