Letta stellt am Mittwoch die Vertrauensfrage Aufstand gegen Silvio Berlusconi

Italien steht wieder mal am Abgrund. An diesem Mittwoch stellt Premier Enrico Letta dem Parlament die Vertrauensfrage. Ausgerechnet der offene Aufstand in der Partei Berlusconis könnte ihn retten. Seine früheren Getreuen kündigen ihm die Gefolgschaft. Berlusconis skrupellose Egoismen überfordern offensichtlich die eigenen Anhänger.

Enrico Letta - Italiens neuer Ministerpräsident
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Das italienische Parlament entscheidet an diesem Mittwoch über den Fortbestand oder das Ende der Regierung von Enrico Letta. Nach dem Rückzug der fünf Minister Silvio Berlusconis aus der Regierung will Letta zuerst im Senat eine Erklärung abgeben und die Vertrauensfrage stellen. Nachmittags ist dieselbe Prozedur dann im Abgeordnetenhaus vorgesehen. Lettas Regierung ist erst seit gut fünf Monaten im Amt.

Kurz vor der entscheidenden Kraftprobe im Parlament erhielt Letta überraschend Unterstützung aus der Partei Berlusconis. PdL-Chef Angelino Alfano rief seine Abgeordneten am Dienstag auf, sich hinter Letta zu stellen. Damit würde sich die Partei Volk der Freiheit (PdL) gegen den Kurs Berlusconis wenden, ihr droht nun eine Zerreißprobe. "Ich bleibe fest überzeugt, dass unsere gesamte Partei für das Vertrauen in Letta stimmen sollte", sagte Alfano, den Berlusconi einmal als seinen Nachfolger auserkoren hatte.

Bei einem Scheitern Lettas hätte es Staatschef Giorgio Napolitano in der Hand, eine Übergangsregierung mit begrenztem Auftrag einzusetzen oder - wie von Berlusconi gewollt - sofort Neuwahlen auszuschreiben. Napolitano will keine Neuwahlen, solange nicht eine Wahlrechtsreform ein neues Patt wie bei den Wahlen im Februar verhindern könnte. Als möglicher Chef einer Übergangsregierung wird der Finanz- und Wirtschaftsminister Fabrizio Saccomanni gehandelt.

Berlusconis PdL-Partei ist kurz vor der entscheidenden Abstimmung massiv von der Spaltung bedroht. "Ich werde nur das Vertrauen aussprechen, wenn mich Silvio Berlusconi danach fragt. Niemand anderes", sagte Berlusconis Ex-Kulturminister und PdL-Senator Sandro Bondi nach Alfanos Aufruf. Auch andere Senatoren betonten, dass sie weiter an Berlusconis Maßgabe festhalten wollten.

Es mehrten sich jedoch auch die Stimmen für Alfanos Kurs. "Wir sind genug Leute, wir sind mehr als 40, und wir sind entschlossen, das Gleichgewicht in der Regierung aufrecht zu erhalten. Deshalb werden wir für das Vertrauen stimmen", betonte der Abgeordnete Carlo Giovanardi. "Die Regierung zu stürzen ist jedenfalls ein Missgriff für Berlusconi, die PdL und Italien", erklärte der frühere PdL-Parlamentssprecher Fabrizio Cicchitto in "La Repubblica".

Berlusconi hatte seine Partei zuvor zur Einigkeit aufgerufen. Er kritisierte am Dienstagabend in einem Brief an die Zeitschrift "Tempi" Letta und Napolitano als unzuverlässig. Sie hätten einen großen Teil ihrer Glaubwürdigkeit verspielt, als sie es nicht geschafft hätten, ihm Immunität zuzusichern. "Obwohl ich alle Risiken verstehe, die ich auf mich nehme, habe ich mich entschieden, der Regierung Letta ein Ende zu bereiten", schrieb Berlusconi.

Doch der Widerstand in seiner eigenen Partei zeigt, dass Berlusconi den Bogen überspannt hat. Schon nachdem er die Minister der PdL zum Rückzug aufgefordert hatte, schlug ihm Empörung entgegen. Zu offensichtlich war, dass der 77-Jährige einzig und allein persönliche Ziele verfolgte und nicht die Interessen des Landes. Berlusconi sucht mit dem Sturz Lettas wie ein in die Ecke gedrängtes Tier seine letzte Chance.

Bald muss er seine Haftstrafe antreten und ein Jahr im Hausarrest verbringen. Verliert er auch noch seine Immunität, ist er weiteren Staatsanwälten ausgeliefert, die ihm etwa vorwerfen, Parlamentarier bestochen zu haben, damit sie in sein Lager überlaufen. Deshalb fordert Berlusconi Neuwahlen und nimmt billigend in Kauf, das Land mit sich in den Abgrund zu reißen.

Italien wandelt auf einem schmalen Grat. Jeder Tag ohne handlungsfähige Exekutive ist ein weiteres Risiko. Für den Aufbau neuer Staatsschulden, für den Abbau von Investitionen, den Rückgang der Produktivität, den Anstieg der Arbeitslosen. Niemand kann sagen, ob der Bankrott der drittgrößten Volkswirtschaft Europas aufgefangen werden könnte. Silvio Berlusconi intersssiert das offensichtlich nicht.

(dpa/RP)
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