Schnell, effizient, produktiv Die Griechen staunen über ihre neue Regierung

Athen · Seit seiner Wahl sind erst vier Wochen vergangen und doch hat der griechische Premier Kyriakos Mitsotakis mehr bewegt als viele seiner konservativen Vorgänger in Jahren. Und die Wähler reiben sich verwundert die Augen: Was ist da los in Griechenland?

 Kyriakos Mitsotakis nach seinem Wahlsieg.

Kyriakos Mitsotakis nach seinem Wahlsieg.

Foto: dpa/Thanassis Stavrakis

Der Spruch „sigá sigá“ - immer schön langsam - gehört zu den liebsten eines jeden Griechenlandurlaubers. Im Wortschatz von Kyriakos Mitsotakis hingegen scheint er nicht vorzukommen - der Premier regiert im Sauseschritt. 24 Stunden nach der Parlamentswahl am 7. Juli stand die neue griechische Regierung, eine Woche später nahm das neue Parlament die Arbeit auf, und seither vergeht in Athen kaum ein Tag, an dem nicht ein neues Gesetz, eine neue Maßnahme verabschiedet wird.

„Täglich ein positiver Schock, eine positive Überraschung!“, schrieb Anfang der Woche die griechische Boulevardzeitung „Proto Thema“ und listete auf, was die Regierung von Mitsotakis in den vergangenen vier Wochen geleistet hat. Viele kleine, aber für die Menschen sichtbare Maßnahmen sind dabei, etwa eine erhöhte Polizeipräsenz in der Athener Innenstadt oder eine Lösung für das überbordende Müllproblem auf der Insel Korfu; die dortige Abfallwirtschaft wurde vom zuständigen Minister kurzerhand privatisiert.

Auch vor heißeren Eisen scheut die Regierung nicht zurück. So sollte am Dienstagabend im Parlament das weltweit einzigartige griechische Universitäts-Asyl eingeschränkt werden. Dazu gedacht, politisch Verfolgten Schutz zu gewähren, pervertierte das Asyl über die Jahre, denn Polizisten dürfen auf dem Campus nur zum Einsatz kommen, wenn Rektorat und Studentenvertreter sich zuvor in einem komplizierten Verfahren darauf einigen. Den quasi rechtsfreien Raum machten sich zuletzt Dealer und linke Autonome zunutze.

Neben gesellschaftlichen Themen wurden aber vor allem schon etliche neue Gesetze verabschiedet, die sich positiv auf die Wirtschaft, den Staatshaushalt und den Geldbeutel der Bürger auswirken sollen. So beschloss das Parlament Ende Juli, säumigen Zahlern eine Chance zu geben: Wer Schulden bei der Renten- und Krankenkasse oder beim Finanzamt angesammelt hat, kann die Summe künftig in 120 Monatsraten abstottern. Laut Finanzminister Christos Staikouras schulden die Griechen dem Staat mehr als 104 Milliarden Euro.

Zudem wurde die Immobiliensteuer im Schnitt um 22 Prozent gesenkt - und dabei nach Meinung von Experten auch die Balance zwischen Wirtschaftsinteressen und Sozialem gewahrt, so dass sich sogar die linke Oppositionspartei Syriza zur Zustimmung genötigt sah. Geringverdiener zahlen künftig 30 Prozent weniger Immobiliensteuer, Gutverdiener hingegen wurden nur um 10 Prozent entlastet. Die Maßnahme soll die Immobilienwirtschaft ankurbeln und den ärmeren Griechen wieder mehr Luft zum Atmen geben.

Auf erhöhten privaten Konsum zielt auch ein Gesetz ab, das voraussichtlich Anfang September verabschiedet wird. Es sieht vor, den Einkommensteuersatz für Geringverdiener mit einem Einkommen von weniger als 10 000 Euro pro Jahr von 22 auf 9 Prozent zu reduzieren. Zudem soll die Unternehmenssteuer schrittweise von 28 auf 24 Prozent gesenkt werden. Mitsotakis hofft, dass dadurch die leidende Mittelschicht wiederbelebt werden kann und neue Arbeitsplätze geschaffen werden.

Finanzieren kann der Premier diese Maßnahmen - sein Vorgänger Alexis Tsipras hat ihm unter anderem durch harte Sparmaßnahmen und auch Steuereinnahmen 37 Milliarden Euro in der Staatskasse hinterlassen. Zwar hat Griechenland weiter Schulden in einer gewaltigen Höhe von mehr als 320 Milliarden Euro, doch deren Rückzahlung ist mit den Gläubigern geregelt.

„Wir können es uns also nicht bequem machen und behaupten, die Vorgängerregierung hätte uns verbrannte Erde hinterlassen“, gesteht der Premier. Fast schon traditionell beriefen sich neue griechische Regierungen in der Vergangenheit immer auf den schlechten Zustand des Landes und leere Kassen, um ihre Handlungsarmut zu rechtfertigen. Mitsotakis will nun die Chance nutzen, einen Teil des Geldes zum Ankurbeln der Wirtschaft einzusetzen.

Dazu sollen auch verschiedene Privatisierungsprojekte beitragen, die von der vorherigen linken Regierung unter Premier Alexis Tsipras vernachlässigt worden waren. Dabei geht es etwa um das gewaltige Gelände des ehemaligen Athener Flughafens, um das ein Investorenteam seit Jahren ringt. Schätzungen zufolge könnten bei der geplanten zehnjährigen Erschließung und Bebauung des Areals 15 000 Arbeitsplätze entstehen, 7000 Menschen könnten anschließend dauerhaft beschäftigt sein. Dennoch torpedierte die linke Syriza das Vorhaben immer wieder - aus ideologischen Gründen. Nun sollen die Investoren in den nächsten Wochen grünes Licht erhalten.

Eines aber kann selbst Mitsotakis nicht über Nacht abschaffen: das tiefe Misstrauen der Griechen gegenüber ihrem Staat und den Politikern. Zwar macht sich bei den Bürgern verhaltener Optimismus breit, doch viele fürchten, dass auch die amtierende Regierung bald wieder Versprechen brechen oder erneut mit einer in Griechenland jahrzehntelang herrschenden Vetternwirtschaft enttäuschen könnte.

Solchen Befürchtungen will Mitsotakis mit einem neuen Gremium entgegenwirken - einer Art Schaltstelle zwischen dem Premier und seinen Ministern. Sinnigerweise ist der griechische Begriff dafür „Generalstab“, und generalstabsmäßig soll es auch zugehen: Wenn Minister ihre Vorhaben präsentieren und Versprechen zum Datum der Umsetzung abgeben, kontrolliert der Generalstab, ob alles nach Plan läuft, und berichtet an den Premier. So soll vermieden werden, dass Gesetze in den Mühlen der griechischen Bürokratie zermahlen werden.

Politische Beobachter sind sich einig, dass es solch einen fulminanten Start wie den von Mitsotakis in Griechenlands jüngerer Geschichte noch nie gegeben hat. Am Ende aber zählt nicht, ob die Athener Metro enger getaktet fährt oder die Metro in Thessaloniki nach nunmehr 20 Jahren Bauzeit überhaupt mal den Betrieb aufnimmt, sondern ob die Wirtschaft des Landes Fahrt aufnimmt. Das weiß auch der Premier: Es ist sein Wahlversprechen, erst die Wirtschaft in Schwung zu bringen, bevor Löhne und die zuletzt stark gekürzten Renten irgendwann wieder steigen könnten.

(felt/dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort