Auch der Verteidigungsminister ist tot Assads Schwager bei Anschlag getötet

Kairo · In der syrischen Hauptstadt Damaskus spitzt sich die Lage zu. Bei dem Selbstmordanschlag auf die Führung der syrischen Sicherheitskräfte ist nach Informationen der Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London ein dritter hoher Repräsentant der Führung in Damaskus tödlich getroffen worden.

Schwerer Anschlag in der syrischen Hauptstadt Damaskus
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Schwerer Anschlag in der syrischen Hauptstadt Damaskus

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General Hassan Turkmani, der die Krisenzelle zur Zerschlagung der Rebellion leitete, sei seinen Verletzungen erlegen, teilte die in London ansässige Beobachtungsstelle am Mittwoch unter Berufung auf "Quellen in der syrischen Hauptstadt" mit.

Am Mittwoch gab es einen Anschlag vor einem Gebäude der Sicherheitskräfte, die Freie Syrische Armee bekannte sich zu der Tat. Unter den Opfern sollen sich laut syrischem Staatsfernsehen der Verteidigungsminister und ein Schwager des Präsidenten Baschar al Assad befinden.

Die Freie Syrische Armee setzt sich vor allem aus Deserteuren der regulären syrischen Streitkräfte zusammen und verfügt über mehrere tausend Kämpfer. Bei dem Anschlag auf den Krisenstab der syrischen Regierung ist auch Asef Schawkat, der Schwager von Präsident Baschar al-Assad, getötet worden.

Das meldete das Staatsfernsehen am Mittwoch. Schawkat war stellvertretender Kommandeur der Streitkräfte. Außerdem wurde der syrische Verteidigungsminister Daud Radscheha getötet.

Vor einem Gebäude der Sicherheitskräfte war ein Sprengsatz explodiert. In dem Gebäude habe gerade eine hochrangig besetzte Sitzung stattgefunden, zahlreiche Angehörige der Sicherheitskräfte seien verletzt worden, darunter angeblich auch der Innenminister Mohammed Ibrahim al-Schaar.

Das Staatsfernsehen berichtete, das Attentat sei das Werk eines Selbstmordattentäters. Regimegegner sprachen von einer Autobombe. Bei mehreren Anschlägen in Damaskus in den vergangenen Monaten waren Dutzende Menschen ums Leben gekommen. Die Opposition und das Regime hatten sich jeweils gegenseitig beschuldigt.

Aufregung um "Hinrichtungen" in Kliniken

In syrischen Militärkrankenhäusern werden nach Angaben eines desertierten Offiziers Verwundete totgespritzt. Er habe das als Stabsarzt im Militärkrankenhaus von Aleppo mit eigenen Augen gesehen, sagte Oberst Abdalhamid Zakaria in einem Interview des Hamburger Magazins "Stern". "In einer Nachtschicht sah ich fünf, die umgebracht wurden." Ähnlich äußerten sich in der Vergangenheit viele Verletzte, die fliehen konnten. Sie seien nicht ins Krankenhaus gegangen, weil dort Verhaftung oder Tod drohe, sagten sie.

Sein Spezialgebiet sei Augenheilkunde, berichtete Zakaria. Er habe oft verletzte Demonstranten wegen Hornhautablösung behandelt, das sei keine komplizierte Verletzung. "Aber wenn ich am nächsten Tag nach ihnen sehen wollte, hieß es: über Nacht verstorben." Auch verletzte Soldaten und Mitglieder der regimetreuen Schabiha-Miliz seien im Militärhospital getötet worden, sagte der Oberst. Das sei mit Kalzium-Injektionen geschehen, die einen Herzstillstand auslösten.
Oder mit einer Überdosen Insulin, die zu einem sogenannten hypoglykämischen Koma und schließlich zum Tod führten.

Die Kämpfer seien ermordet worden, um zu verhindern, dass sie von Kriegsgräueln berichten, und um Geld für teure Behandlungen zu sparen, so der Militärarzt. Täter seien regimetreue Pfleger und Krankenschwestern gewesen. Aus Todesangst habe das Krankenhauspersonal nicht gewagt, Widerstand zu leisten. Oberst Zakaria hatte im Juni bekanntgegeben, dass er zusammen mit seinen Brüdern in die Türkei desertierte. Seine Frau und seine Kinder sind demnach ebenfalls in der Türkei.

Allein am Dienstag 18 Tote

Abgesehen von dem Anschlag auf die Sicherheitskräfte zählten die Regimegegner am Mittwoch landesweit 18 Tote. Die meisten von ihnen seien von Regierungstruppen in den Provinzen Homs und Daraa getötet worden, hieß es. Angriffe habe es auch in Damaskus gegeben, vor allem in den Vierteln Al-Kabun und Al-Midan.

Am Dienstag hatten die Regierungstruppen nach Informationen der Organisation Syrischer Menschenrechtsbeobachter allein in Damaskus 17 Menschen getötet. Landesweit zählte die Organisation mehr als 100 Tote. Die regierungsamtliche Zeitung "Al-Thawra" schrieb am Mittwoch: "Damaskus ist schwer in die Knie zu zwingen, selbst wenn sich die ganze Welt gegen diese Stadt verbünden sollte."

Aus Diplomatenkreisen in Damaskus hieß es unterdessen, der Leiter der UN-Beobachtermission, der norwegische General Robert Mood, werde Syrien an diesem Donnerstag verlassen. Am Freitag läuft das Mandat der Militärbeobachter aus, über eine Verlängerung wird derzeit noch im Sicherheitsrat diskutiert.

Die Beobachtermission, die im vergangenen April begonnen hatte, ist umstritten. Denn die Waffenruhe, die der Sondergesandte Kofi Annan mit den Konfliktparteien ausgehandelt hatte, besteht bislang nur auf dem Papier. Durch die Kämpfe in vielen Provinzen war die Bewegungsfreiheit der unbewaffneten Beobachter stark eingeschränkt.

(dpa)
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