Spekulationen um Giftmord Arafats Witwe will Exhumierung

Zürich · Acht Jahre nach dem Tod des umstrittenen Palästinenser-Führers gibt es neue Hinweise auf eine mögliche Vergiftung – mit Polonium-210. Eine vom arabischen Nachrichtensender Al Dschasira in Auftrag gegebene Untersuchung durch ein Labor in der Schweiz ergab erhöhte Werte dieses radioaktiven Stoffes auf persönlichen Gegenständen von Jassir Arafat.

 Eines der letzten Bilder von Jassir Arafat mit seiner Frau Suha.

Eines der letzten Bilder von Jassir Arafat mit seiner Frau Suha.

Foto: dapd, HUSSEIN HUSSEIN

Acht Jahre nach dem Tod des umstrittenen Palästinenser-Führers gibt es neue Hinweise auf eine mögliche Vergiftung — mit Polonium-210. Eine vom arabischen Nachrichtensender Al Dschasira in Auftrag gegebene Untersuchung durch ein Labor in der Schweiz ergab erhöhte Werte dieses radioaktiven Stoffes auf persönlichen Gegenständen von Jassir Arafat.

Jassir Arafat ist möglicherweise durch radioaktives Gift ums Leben gekommen. Zu diesem Ergebnis kommen Strahlenschutz-Experten aus der Schweiz, die der arabische Nachrichtensender Al Dschasira beauftragt hatte. Der palästinensische Chefunterhändler Saeb Erekat forderte daraufhin gestern eine internationale Untersuchung der Todesumstände. Arafats Witwe Suha stimmte einer Exhumierung der Leiche zu, obwohl die Störung der Totenruhe im Islam normalerweise verboten ist.

Der frühere PLO-Führer war im November 2004 im Alter von 75 Jahren in einem Militärkrankenhaus im französischen Clamart gestorben. Schon damals hatte es Spekulationen über eine Vergiftung oder eine Aids-Erkrankung des Friedensnobelpreisträgers gegeben.

Al Dschasira ließ Kleidungsstücke und andere Gegenstände wie die Zahnbürste, die der erste Palästinenserpräsident in den Tagen vor seinem Tod benutzt hatte, von einem Labor in der Schweiz untersuchen. Das auf Strahlenschutz und medizinische Anwendungen spezialisierte Institut de Radiophysique in Lausanne stellte erhöhte Werte des radioaktiven Stoffes Polonium-210 fest. Mit diesem Gift war 2006 in London der russische Ex-Geheimdienstagent und Regimekritiker Alexander Litwinenko getötet worden.

Das Institut erklärte, eine abschließende Beurteilung der Todesursache sei aber nur durch eine Untersuchung der sterblichen Überreste Arafats möglich. Die in Arafats Krankenakte aufgezählten Symptome stimmten nicht mit einer Polonium-Vergiftung überein. Sein in einem Mausoleum in der Mukata, dem Regierungssitz in Ramallah, beigesetzter Leichnam müsse deshalb erneut untersucht werden. Allerdings muss gemäß dem israelisch-palästinensischen Abkommen auch die Besatzungsmacht Israel ihre Zustimmung zu der Exhuminierung geben.

Seit gut zwei Jahren sammeln wissenschaftliche Mitarbeiter des palästinensischen Ministerpräsidenten Salam Fayyad Material zum Tode Arafats. Ihr Bericht sollte demnächst veröffentlicht werden. Nun ist ihnen Al Dschasira zuvorgekommen. Der Fernsehbericht entbehre jeder Grundlage, sagte ein israelischer Regierungssprecher.

Doch der renommierte israelische Geheimdienst-Spezialist Ronen Bergman ist überzeugt, dass die Frage nach der Todesursache Arafats "den Nahen Osten noch viele Jahre beschäftigt". Für die Palästinenser war von Anfang an klar, dass Israel für den unerklärlichen Tod verantwortlich war. Arafats Leibarzt Ashraf al Kurdi behauptete seinerzeit, Israel habe in Arafats Blut Aids-Viren gemischt. In Clamart, wo Arafat starb, habe man Aids im Blut festgestellt. Doch im Bericht des Krankenhauses kommt das Wort Aids nicht vor. Es wurde auch keine Untersuchung auf Aids vorgenommen, obwohl mehrere im Bericht erwähnte Symptome auf diese Krankheit hinwiesen. Nicht nur Israels Geheimdienste hatten Arafat als Homosexuellen eingestuft — der rumänische Geheimdienst besaß angeblich Videoaufnahmen von intimen Beziehungen Arafats mit Leibwächtern.

Jassir Arafat war am 12. Oktober 2004 nach dem Abendessen plötzlich erkrankt, das er in seinem von Israels Armee umzingelten Amtssitz eingenommen hatte. Zuvor lebte er über Wochen im Fadenkreuz israelischer Scharfschützen, ohne dass ein Versuch unternommen worden wäre, ihn zu töten.

Drei Ärzteteams aus arabischen Staaten eilten herbei, eine Grippe wurde vermutet. 13 Tage später verschlechterte sich der Gesundheitszustand dramatisch. Doch erst zwei Tage später eilten Arafats junge Ehefrau Suha und sein Leibarzt zum Krankenbett, bevor der Palästinenserführer — mit Zustimmung Israels — nach Paris geflogen wurde.

Nach dem Tod der überragenden Symbol- und Vaterfigur der Palästinenser folgten interne Machtkämpfe und die Spaltung in den gemäßigteren PLO-Flügel Fatah im Westjordanland und die radikal-islamische Hamas im Gaza-Streifen.

(RP/sap/csi)
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