Annalena Baerbock bei der Afrikanischen Union Die Welt ist eine Kaffeebohne

Addis Abeba · Außenministerin Annalena Baerbock und ihre französische Amtskollegin Catherine Colonna werben bei der Afrikanischen Union für eine strategische Partnerschaft. Europa brauche Afrika auch im Kampf für den Erhalt der europäischen Friedensordnung, der durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine gefährdet ist.

Außenministerin Annalena Baerbock mt ihrer französischen Amtskollegin Catherine Colonna beim Treffen mit dem Kommissionspräsidenten der Afrikanischen Union, Moussa Faki Mahamat

Außenministerin Annalena Baerbock mt ihrer französischen Amtskollegin Catherine Colonna beim Treffen mit dem Kommissionspräsidenten der Afrikanischen Union, Moussa Faki Mahamat

Foto: dpa/Michael Kappeler

Einfach nur ein Kaffee. Ungeröstet. Dann also, wenn die Veredelung noch nicht begonnen hat. Annalena Baerbock hat es selbst erlebt. Und was soll die Außenministerin sagen? Schmeckt einfach „dreimal besser“, wenn die Röststufe des Kaffees direkt am Tisch zubereitet wird. So getestet in Addis Abeba. Die deutsche Außenministerin ist für zwei Tage in jenem Land, wo der Kaffee, das Weltgetränk, seinen Ursprung hat. Aus Äthiopien, Provinz Kaffa, im Südwesten des Flächenstaates, der drei Mal so groß wie Deutschland ist, kommt der globale Wachmacher. Baerbock wäre nicht Politikerin der Grünen, würde sie sich nicht über Lieferketten Gedanken machen und darüber, wieviel von dem Geld, das am Ende mit einem Produkt, in diesem Fall Kaffee, verdient wird, in jenem Land bleibt, wo es herkommt.

Baerbock ist für zwei Tage — gemeinsam mit ihrer französischen Amtskollegin Catherine Colonna — nach Äthiopien gereist, um den gerade angelaufenen Friedensprozess nach (vorläufigem) Ende des blutigen Krieges in der nordäthiopischen Rebellenprovinz Tigray zu unterstützen. Beide Politikerinnen wollen zudem die Partnerschaft Europas mit Afrika auf eine neue Stufe heben. Eine strategische Partnerschaft auch mit Äthiopien – das ist der Plan. Baerbock sagt, „Andere“ sähen Äthiopien und Afrika einfach nur als Absatzmarkt. „Europa will Afrika als guten Nachbar und Freund.“

Worte, die der äthiopische Außenminister Demeke Mekonnen gerne hört, bei all den Sorgen wegen Frieden, ethnischer Konflikte und grassierende Dürre in seinem Land. Colonna versichert: „Wir sind hier und wir geben volle Unterstützung.“ Nur in die Unruheprovinz Tigray reisen Baerbock und Colonna nicht. Warum nur? Warum lässt Baerbock mit ihrer wertegeleiteten Außenpolitik ausgerechnet jene Provinz außen vor, in der rund 500 000 Menschen ihr Leben in dem Krieg zwischen Rebellen und Zentralregierung gelassen haben sollen? In einem Krieg, für den sich die Welt nicht interessiert. Das Programm einer Zwei-Tages-Reise habe einen solchen Besuch nicht hergegeben, sagt Baerbock.

Baerbock und Colonna fahren bei der Afrikanischen Union (AU), Zusammenschluss von 55 Staaten des Kontinents, vor. Was in Brüssel die EU ist, ist in Addis Abeba die AU. Große Gebäude, viele Interessen, viel Bürokratie. Das „Team Europa“, wie Colonna über Baerbock und sich augenzwinkernd gesagt hat, will diesen Brückenschlag mit den Partnern in Afrika. Der Weltmacht China wollen die beiden Politikerinnen den Platz in Afrika nicht kampflos überlassen, erst recht nicht Russland, das in Afrika überall dort mitmischt wo Chaos herrscht: Libyen, Mali, Zentralafrikanische Republik.

Deutschland kann für sich dabei in Anspruch nehmen, dass es seit Jahren gemeinsam mit Brasilien, Indien und Japan im sogenannten G4-Format auf eine Reform des UN-Sicherheitsrates drängt mit sechs neuen ständigen Sitzen. Afrika soll dabei künftig mehr Einfluss in der Welt haben. Zwei dieser erhofften sechs neuen ständigen Sitze in dem Weltgremium soll Afrika bekommen. Schließlich beteiligt sich der Kontinent auch an mehreren großen UN-Friedensmissionen.

Baerbock und Colonna stehen in dem von Deutschland finanzierten AU-Gebäude für Frieden und Sicherheit — 2016 von der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel feierlich in Addis Abeba eröffnet — und blicken auf die Gedenkmauer mit den eingravierten Namen Hunderter bei AU-Einsätzen gefallener oder getöteter Soldaten. Den Hauptsitz der Afrikanischen Union gleich nebenan mit dem großen Plenarsaal haben die Chinesen gebaut und bezahlt. Wieder ein Schritt Chinas für mehr Einfluss in der Welt.

Später wirbt Baerbock vor Kameras noch einmal um Unterstützung und für Partnerschaft. „Wir brauchen auch eine starke afrikanische Stimme.“ Schließlich stehe Afrika für dieselben Werte wie Europa, so die deutsche Außenministerin. Vielleicht hat sie dabei vor Augen, dass Russland – raffinierter Schachzug – in diesem Sommer zu einem Gipfel mit Afrika nach Sankt Petersburg laden will. Ausgerechnet. Russland attackiere die europäische Friedensordnung. „Wir brauchen Afrika, um diese europäische Friedensordnung zu verteidigen“, betont Baerbock.

Am Ende ihres Äthiopien-Aufenthaltes ist Baerbock dann wieder beim Thema Kaffee. Sie stoppt bei der Solino-Kaffeerösterei. Normalerweise geht äthiopischer Kaffee „grün“ ins Ausland, also ungeröstet. Doch anders als bei anderen Produzenten wird der Solino-Kaffee hier im Herkunftsland geröstet und verpackt, was Jobs und Wertschöpfung bedeutet. Erst dann kommt er auf deutschen Markt. Grüner Kaffee, gleich im Ursprungsland veredelt, das gefällt der grünen Außenministerin. Die Welt ist kompliziert. Und es gibt viel zu tun für eine gerechtere Verteilung, findet Baerbock ohnehin. Selbst bei einer Kaffeebohne.

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