Anklage in Dokumentenaffäre Trump lagerte Regierungsgeheimnisse in der Dusche

Update | Washington · Es ist ein historischen Vorgang: Zum ersten Mal wird gegen einen Ex-Präsidenten der USA auf Bundesebene Anklage erhoben. Die Anklageschrift gegen Donald Trump in der Affäre um Geheimdokumente enthält insgesamt 37 Anklagepunkte. Im schlimmsten Fall drohen ihm zehn Jahre Haft.

Donad Trump: Diese Verfahren laufen gegen ehemaligen US-Präsidenten
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Diesen Gerichtsverfahren muss sich Trump stellen

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Foto: AFP/CHRISTIAN MONTERROSA

Der frühere US-Präsident Donald Trump ist in der Dokumentenaffäre in 37 Punkten angeklagt worden. In 31 Punkten geht es dabei um die vorsätzliche Aufbewahrung von Informationen zur nationalen Verteidigung, was mit bis zu zehn Jahren Gefängnis bestraft werden kann, wie aus der am Freitag veröffentlichten Anklageschrift hervorgeht. Demnach bewahrte Trump nach Ende seiner Amtszeit im Weißen Haus in Kartons in seinem Privatanwesen Mar-a-Lago unter anderem Dokumente zu US-Atomwaffen auf.

Weitere Dokumente handelten von militärischen Fähigkeiten und Aktivitäten anderer Länder, Atomfähigkeiten eines anderen Landes und militärischen Planungen der USA. „Trump bewahrte seine Kartons mit Geheimdokumenten an verschiedenen Orten im Mar-a-Lago-Club auf - unter anderem in einem Ballsaal, in einem Badezimmer und einer Dusche, einem Büro, seinem Schlafzimmer und einem Lagerraum“, heißt es in der Anklage. Entsprechende Fotos wurden der Anklage beigefügt. In mindestens zwei Fällen habe Trump zudem Geheimdokumente anderen gezeigt.

Auf die vorsätzliche Aufbewahrung von Informationen zur nationalen Verteidigung steht eine Haftstrafe von bis zu zehn Jahren. In den anderen Anklagepunkten geht es unter anderem um eine Verschwörung zur Justizbehinderung, das grundsätzliche Zurückhalten von Dokumenten, das Verstecken von Dokumenten sowie mutmaßliche Falschaussage. Darauf steht teilweise eine Höchststrafe von 20 Jahren Gefängnis.

Neben Trump wurde auch einer seiner Berater angeklagt, Walt Nauta, der auf Überwachungskameras zu sehen war, wie er Kisten in dem Privatclub in Mar-a-Lago entfernte. In der Anklageschrift wird Trump beschuldigt, zahlreiche solche Kisten unrechtmäßig aus dem Weißen Haus entfernt und nach Mar-a-Lago gebracht zu haben, von denen viele geheime Dokumente enthielten.

Der Sonderermittler in der Affäre hat nach der Anklage gegen Trump ein „zügiges Gerichtsverfahren“ in Aussicht gestellt. „Mein Büro wird einen zügigen Prozess in dieser Angelegenheit in Übereinstimmung mit dem öffentlichen Interesse und den Rechten des Angeklagten anstreben. Beachten Sie, dass die Angeklagten in diesem Fall als unschuldig zu gelten haben, bis ihre Schuld vor Gericht zweifelsfrei bewiesen ist“, sagte Sonderermittler Jack Smith am Freitagabend bei einer Pressekonferenz. Die Anklageschrift zeige aber den „Umfang und die Schwere“ der Vorwürfe gegen Trump.

Er wies zugleich Vorwürfe von Trump und führenden Republikanern zurück, die Ermittlungen gegen den Ex-Präsidenten und Präsidentschaftsbewerber für 2024 seien politisch motiviert. „Gesetze anwenden, Fakten sammeln, das bestimmt den Ausgang einer Ermittlung“, sagte der von Justizminister Merrick Garland eingesetzte Sonderermittler. „Nicht mehr und nicht weniger.“

Smith betonte, dass die Mitarbeiter der US-Geheimdienste und des Militärs „ihr Leben dem Schutz unseres Landes“ widmeten. Der Schutz von Informationen der Landesverteidigung sei von entscheidender Bedeutung für die Sicherheit der USA. „Verstöße gegen diese Gesetze bringen unser Land in Gefahr“, sagte Smith.

Trump werde am Dienstag in Florida vor Gericht erscheinen, sagte sein Anwalt James Trusty am Freitag der NBC-Sendung „Today“. „Er hat keine Angst vor dieser Sache. Es ist eine lächerliche Kriminalisierung eines nicht-kriminellen Streits, also wird er dabei sein“, erklärte Trusty. Die Anklage sei übertrieben und habe keine strafrechtliche Grundlage. Kurz darauf teilten Trusty und sein Kollege John Rowley mit, sie hätten ihre Mandate niedergelegt. Trump kündigte an, nun werde Todd Blanche seine Verteidigung in dem Prozess zusammen mit einer noch zu benennenden Kanzlei leiten.

Für den Ex-Präsidenten gab es am Freitag aber auch eine positive Nachricht: Das Verfahren wird zumindest anfänglich von einer Bundesrichterin geführt, die im vergangenen Jahr für ihn günstige Entscheidungen traf und sich wiederholt skeptisch gegenüber den Positionen des Justizministeriums äußerte. Aileen Cannon habe die Aufgabe übernommen, verlautete aus Justizkreisen. Cannon wurde im vergangenen Jahr dafür kritisiert, dass sie dem Antrag der Trump-Anwälte auf Einsetzung eines Sonderbeauftragten für eine unabhängige Prüfung der gefundenen Geheimdokumente stattgegeben hatte. Die Entscheidung, die zentrale Aspekte der Ermittlungsarbeit des Justizministeriums vorübergehend zum Stillstand brachte, wurde Monate später von einem Bundesberufungsgericht gekippt.

Das Weiße Haus lehnte eine Stellungnahme zur jüngsten Anklageerhebung gegen Trump ab. Vizepressesprecherin Olivia Dalton verwies auf die Unabhängigkeit des Justizministeriums und sagte, Präsident Joe Biden respektiere die Rechtsstaatlichkeit und die Integrität der Abläufe im Justizministerium. „Genau deshalb äußern wir uns nicht.“ Biden und seine Mitarbeiter hätten „wie jeder andere“ aus Medienberichten von der Anklageerhebung gegen Trump erfahren.

Nach Angaben von Staatsanwälten nahm Trump nach seinem Auszug aus dem Weißen Haus Anfang 2021 fast 300 vertrauliche, geheime oder streng geheime Dokumente mit in seinen Privatclub Mar-a-Lago in Palm Beach im Staat Florida. Da der Verdacht aufkam, dass er trotz Aufforderung nicht sämtliche Unterlagen ausgehändigt hatte, durchsuchte das FBI im August 2022 das Anwesen und stellte rund 100 der Dokumente sicher. Wiederholt hat Trump erklärt, er sei dazu ermächtigt gewesen, die Unterlagen nach seinem Weggang aus Washington zu behalten. Zudem behauptete er, er habe den Geheimhaltungsgrad der Verschlusssachen auf eigene Faust aufgehoben. Beweise dafür hat er nicht vorgelegt.

Schon im vergangenen Jahr ging aus Gerichtsakten hervor, dass die Ermittler Hinweise auf mehrere Straftaten Trumps hätten. Im November setzte Justizminister Merrick Garland den Sonderermittler Jack Smith auf den Fall an. Anwälte Trumps, enge Vertraute des Ex-Präsidenten sowie Vertreter der Trump Organization erschienen vor einer Grand Jury in Washington. Zuletzt wurde auch eine separate Grand Jury in Miami aktiv.

Verbündete und Parteifreunde Trumps gaben ihm Rückendeckung. Kevin McCarthy, der Vorsitzende des Repräsentantenhauses, twitterte, es sei skrupellos, dass Biden den führenden Kandidaten anklage, der gegen ihn antrete. Hier werde Macht als Waffe eingesetzt. Die Republikaner im Kongress würden die Verantwortlichen dafür zur Rechenschaft ziehen.

Schon im März war Anklage gegen Trump erhoben worden, der sich damit als erster früherer US-Präsident einem Strafverfahren stellen muss. Hier geht es um Vorwürfe rund um eine im Wahlkampf 2016 geleistete Schweigegeldzahlung an die Pornodarstellerin Stormy Daniels, die vor Jahren eine Affäre mit ihm gehabt haben will. Trump bestreitet das.

Zudem laufen in Washington und Georgia weitere Ermittlungen zu dessen Versuchen, die Ergebnisse der Präsidentschaftswahl 2020 zu kippen. Auch hier könnte es Anklagen geben. Rechtsexperten und auch Trumps eigene Berater sehen den Fall Mar-a-Lago jedoch als größte Bedrohung für den Ex-Präsidenten an. Im Falle einer Verurteilung könnte ihm eine Haftstrafe drohen.

Welche Konsequenzen muss Trump fürchten, wenn er verurteilt würde?

Letztlich kann sich ein solches Verfahren über Jahre hinziehen. Sollte der Republikaner verurteilt werden, droht ihm eine mehrjährige Haftstrafe. Trotz Anklage kann Trump bei der Präsidentenwahl 2024 für seine Partei kandidieren. Auch eine Verurteilung hat juristisch gesehen nicht zwangsläufig zur Folge, dass Trump das Amt des US-Präsidenten nicht noch einmal ausüben könnte. Einen Präsidenten, der hinter Gittern sitzt, hat es in der US-Geschichte allerdings noch nicht gegeben - hier dürfte es zumindest praktische Hürden geben.

Es gibt außerdem ein Bundesgesetz, das jedem verbietet, der wegen der willentlichen Entfernung von Regierungsunterlagen verurteilt wurde, ein politisches Amt auszuüben. Der entsprechende Straftatbestand findet sich nicht in der Anklageschrift. Ohnehin müsste eine Verurteilung in diesem Zusammenhang nichts heißen. Denn in der US-Verfassung steht nichts über die Mitnahme von Regierungsdokumenten als Ausschlusskriterium für ein politisches Amt. Einige Fachleute argumentieren, dass die Verfassung Bundesgesetze aussticht - Gerichte würden das letzte Wort haben.

Sonderermittler Smith untersucht auch Trumps Rolle beim Sturm auf das US-Kapitol - hier gibt es bisher keine Anklage. Mit Blick auf die Frage nach dem Ausschluss von politischen Ämtern ist dies aber der spannendere Fall, denn Trump könnte wegen des seltenen Straftatbestands der Aufruhr angeklagt und verurteilt werden. Laut Verfassung sind all jene von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen, die sich an einem Aufstand gegen die Regierung beteiligt haben.

Was macht die Anklage in der Affäre um Geheimdokumente so besonders?

Trump ist bereits vor einigen Wochen im US-Bundesstaat New York im Zusammenhang mit Schweigegeldzahlungen an einen Pornostar angeklagt worden. Dieser Fall markierte das erste Mal in der US-Geschichte, dass ein Präsident sich wegen einer Straftat vor Gericht verantworten muss. Dennoch ist die Anklage in der Geheimdienstaffäre wieder historisch. Denn noch nie wurde ein Ex-Präsident auf Bundesebene angeklagt. Anklagen auf Bundesebene werden häufig mit härteren Strafen geahndet, da es hier um nationale Interessen geht.

Wie genau geht es für Trump nun weiter?

Trump soll am Dienstag um 15 Uhr (Ortszeit) einem Richter an einem Bundesgericht in Miami im US-Bundesstaat Florida vorgeführt werden. Er hat eine Vorladung erhalten - keinen Haftbefehl. Bei dem Termin wird die Anklage verlesen. Dabei wird der Angeklagte formell über die gegen ihn erhobenen Vorwürfe informiert und hat dann in der Regel die Möglichkeit, zum Beispiel auf „nicht schuldig“ oder „schuldig“ zu plädieren. Es ist davon auszugehen, dass Trump sich für „nicht schuldig“ aussprechen wird, denn er bestreitet die Vorwürfe.

Der Richter entscheidet bei diesem Termin auch darüber, ob der Angeklagte bis zum Prozessbeginn festgehalten wird - etwa wenn Fluchtgefahr oder eine Gefahr für die Allgemeinheit besteht. Davon ist Fachleuten zufolge im vorliegenden Fall nicht auszugehen. Der Richter setzt dann auch die weiteren Gerichtstermine fest.

Warum passiert das in Miami?

Die Staatsanwaltschaft hätte Trump wohl auch in der US-Hauptstadt Washington anklagen können. Die geheimen Dokumente wurden aber in Trumps Anwesen Mar-a-Lago in Florida gelagert - daher war auch Florida eine Option. Im liberalen Washington besteht eine größere Chance auf eine den Demokraten näher stehende Geschworenenjury als im konservativeren Florida. Trumps Anwälte hätten Washington als Ort für den Prozess mit ziemlicher Sicherheit direkt angefochten. Die Staatsanwaltschaft wollte dies wohl vermeiden. Eine von Trump nominierte Richterin ist nun vorerst für den Fall zuständig. Aileen Cannon hatte zu Beginn der Ermittlungen in der Geheimunterlagen-Affäre bereits zu Trumps Gunsten entschieden.

(felt/mzu/AFP/AP)
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