Kanzlerin bei Erdogan Merkel will Wahlbeobachter für Türkei

Ankara · Die Kanzlerin plädiert in Ankara für eine europäische Mission zur Überwachung des umstrittenen Verfassungsreferendums. Sie warnt Erdogan davor, seine Kritiker in Deutschland bespitzeln zu lassen.

Merkel war am Vormittag mit Erdogan zusammengekommen; danach traf sie Ministerpräsident Binali Yildirim. Der gescheiterte Putschversuch vom Juli erweist sich immer mehr als der tiefste Einschnitt in der jüngeren Geschichte des Landes - auch weil er Erdogan den Vorwand lieferte, noch härter gegen seine Kritiker vorzugehen und die Einführung eines Präsidialsystems voranzutreiben.

"Solidarität unter Nato-Partnern wichtig"

Sie habe mit dem Präsidenten auch erörtert, sagte Merkel, "dass es gut wäre", wenn bei der für Anfang April geplanten Volksabstimmung über die Verfassungsänderung Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa eingesetzt würden.

Erdogan bezeichnete Merkels Besuch als wichtig und verteidigte die angestrebte Präsidialverfassung. Von einer Aufhebung der Gewaltenteilung, wie von der Opposition befürchtet, könne keine Rede sein. Er forderte Beistand beim Kampf gegen den Terrorismus, vermied jedoch die harten Töne, die Beobachter zuvor erwartet hatten. Vor allem in der Terrorbekämpfung seien Zusammenarbeit und Solidarität unter Nato-Partnern wichtig.

Merkel hob die Zusammenarbeit mit den Muslimen in Deutschland im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus hervor: "Ich möchte, dass die Menschen in der Türkei jedenfalls wissen, dass wir Muslime nicht nur achten und schätzen, sondern dass wir gut miteinander zusammenarbeiten wollen und gemeinsam gegen diesen schrecklichen Terrorismus kämpfen." Die muslimischen Verbände in Deutschland hätten sich klar gegen jede Form von Terrorismus eingesetzt, lobte Merkel. Erdogan und sie hätten sehr ausführlich darüber gesprochen, dass "wir eine "sprachliche Unterscheidung haben zwischen Islam und islamistisch".

Offiziell als "Arbeitsbesuch" klassifiziert, sollte die Reise die Spannungen zwischen beiden Ländern abbauen. Die Beziehungen haben sich seit dem Putschversuch deutlich verschlechtert. Die "Säuberungen", mit denen Erdogan gegen mutmaßliche Anhänger seines Erzfeindes Fethullah Gülen, aber auch gegen Menschenrechtler, kritische Journalisten und kurdische Politiker vorgeht, stoßen in Berlin auf Kritik. Seit Juli sind Zehntausende entlassen oder verhaftet worden. Kürzlich hatte die Türkei zudem erneut gedroht, den Flüchtlingspakt mit der EU zu kündigen. Spannungen lösten auch türkische Forderungen nach Auslieferung etwa 40 geflüchteter Diplomaten und Soldaten aus. Erdogan Deutschland als "sicheren Hafen für Terroristen" bezeichnet.

Kritik an Merkels Besuch

Merkel warnte die Türkei davor, Gülen-Anhänger in Deutschland bespitzeln zu lassen. "Der deutsche Rechtsstaat geht gegen Rechtsverletzungen vor", sagte sie: "Darauf kann sich die Türkei verlassen." Prediger des Moschee-Dachverbands Ditib hatten hierzulande Gülen-Anhänger bespitzelt; die Ditib sprach danach von einer Panne.

Türkische und deutsche Oppositionspolitiker hatten Merkels Reise kritisiert. In der Türkei wurden Befürchtungen laut, Erdogan werde den Besuch für das Verfassungsreferendum ausschlachten. Um dem vorzubeugen, wollte Merkel am Abend mit Vertretern der beiden größten Oppositionsparteien, der Mitte-links-Partei CHP und der pro-kurdischen HDP, zusammentreffen.

(RP)
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