Analyse Letzte Chance für die Diplomatie in der Ukraine

Paris · Der französische Präsident Hollande und Kanzlerin Merkel unternehmen einen neuen Anlauf, um den Konflikt in der Ukraine beizulegen. Ob die Initiative die Kämpfe stoppen kann, ist ungewiss. Denn der ukrainische Präsident Poroschenko schließt eine kriegerische Lösung nicht aus.

 Zuletzt verhandelten der russische Präsident Wladimir Putin (links), der französische Präsident François Hollande (Mitte), der ukrainische Präsident Petro Poroschenko (rechts) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (vorne im Bild) im Oktober 2014 in Mailand.

Zuletzt verhandelten der russische Präsident Wladimir Putin (links), der französische Präsident François Hollande (Mitte), der ukrainische Präsident Petro Poroschenko (rechts) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (vorne im Bild) im Oktober 2014 in Mailand.

Foto: dpa

Es ist eine ungewöhnliche Reise, auch für den französischen Präsidenten François Hollande. Zusammen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel unternimmt er einen neuen Anlauf, um die Krise in der Ukraine beizulegen. Die beiden Politiker reisen direkt ins Herz des Konflikts, erst nach Kiew und dann nach Moskau. "Denn die Zeit drängt", begründete Hollande am Donnerstag kurz vor seiner Abreise die deutsch-französische Überraschungsinitiative.

Es ist nicht der erste Versuch beider Länder, im Gespräch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und seinem ukrainischen Amtskollegen Petro Poroschenko, eine diplomatische Lösung zu finden: Erst vor einem halben Jahr trafen sich die vier Politiker am Rande der Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag der Landung der Alliierten in der Normandie in Mailand. "Ich war der Meinung, dass wir einen wichtigen Schritt getan haben. Doch alles ist auseinandergebrochen", sagt Hollande.

Der bewaffnete Konflikt zwischen der prowestlichen Führung in Kiew und den Aufständischen war im April nach dem Sturz des moskaufreundlichen Präsidenten Viktor Janukowitsch ausgebrochen. Seither wurden bei den Kämpfen nach UN-Angaben mehr als 5400 Menschen getötet, darunter zahlreiche Zivilisten. Im September hatten sich die Konfliktparteien auf einen Aktionsplan für Frieden in der Ost-Ukraine geeinigt, der allerdings nicht umgesetzt wurde. Der Plan sah unter anderem eine Feuerpause sowie den Abzug schwerer Waffen vor. Mehrere Anläufe für Verhandlungen der Kontaktgruppe, an der auch Vertreter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa sowie Russlands beteiligt sind, waren seit Ende Dezember gescheitert. Zugleich rüstet die Ukraine ihr Militär ununterbrochen mit neuen Waffen aus.

"Jetzt sind wir in einem Krieg, der umfassend sein kann", warnt der französische Präsident. Die Reisen nach Kiew und Moskau gelten deshalb als letzte Chance für einen Frieden auf dem Verhandlungsweg. Im Gepäck haben Hollande und Merkel einen Plan, der auf der territorialen Integrität der Ukraine beruht: Die Ukraine wird nicht auf ihren Ostteil verzichten, in dem prorussische Aufständische für eine Abspaltung kämpfen. "Wenn wir Erfolg haben, werden wir eine Eskalation verhindern", betont Hollande.

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Nachdem sich die Politiker am Donnerstag mit dem ukrainischen Staatschef getroffen hatten, sah Poroschenko anschließend Anlass zur Hoffnung auf einen Waffenstillstand. Das ukrainische Präsidialamt erklärte am Donnerstagabend, das Gespräch der drei Politiker in Kiew "lässt einen Waffenstillstand erhoffen". Eine eigentlich geplante gemeinsame Erklärung von Merkel, Hollande und Poroschenko war zuvor ohne Angabe von Gründen abgesagt worden.

Seibert sagte, die Politiker hätten in Kiew umfassend und konstruktiv über die Lösung des Konflikts beraten. Ausgangspunkt für die neue Initiative sei das Friedensabkommen von Minsk. Einen Bericht der "Süddeutschen Zeitung", wonach die Initiative den Separatisten ein viel größeres Territorium als bisher vorgesehen zugestehe, hatte die Bundesregierung dementiert.

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Trozt aller Hoffnung: Poroschenko schließt inzwischen eine kriegerische Lösung nicht aus. Er rechnet mit Waffen aus den USA, um seine Soldaten aufzurüsten. Der designierte US-Verteidigungsminister Ashton Carter hat dafür Bereitschaft signalisiert. Deutschland will ebenso wie Frankreich keine Waffen in die Krisengebiete liefern. Beide Länder setzen weiter auf die Wirkungen von Sanktionen.

Doch ob die deutsch-französische Initiative die Kämpfe stoppen kann, ist ungewiss. Auch der französische Präsident weiß, dass der Plan scheitern kann. "Es soll aber nicht gesagt werden, dass Frankreich und Deutschland zusammen nicht alles getan haben, um den Frieden zu schützen."

Es ist auffällig, wie sehr Hollande vor der Reise mit Merkel die deutsch-französischen Beziehungen hervorhebt. Der 60-Jährige spricht von tagelangen Vorbereitungen und Gesprächen mit der Bundeskanzlerin, mit der der Sozialist am Anfang nicht warm werden konnte.

Ein Grund für die neue Nähe könnte sein, dass Merkel nach den Anschlägen von Paris im Januar schnell und deutlich Solidarität mit Frankreich gezeigt hat. Ihre Geste vor dem Elysée-Palast, wo sie den Kopf bei einem Solidaritätsmarsch an Hollandes Schulter legte, ist unvergessen. "Es gibt eine starke Verbindung zwischen Frankreich und Deutschland", sagt Hollande zu allen, die eine zunehmende Distanz zwischen den beiden Nachbarländern bemerken. "Wenn Deutschland und Frankreich sich einig sind, haben sie großen Einfluss."

Bleibt zu hoffen, dass das auch für den Ukraine-Konflikt gilt.

(RP)
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