Kanzlerin in Fernost Chinas Provinz feiert Merkel wie eine Heldin

Hefei · Bundeskanzlerin Angela Merkel besucht die chinesische Provinz. Die Flüchtlingskrise und die daraus entstandene innenpolitische Krise kann sie selbst dort nicht abschütteln.

2015: Angela Merkel besucht die chinesische Provinz
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Foto: dpa, soe jai

Die Straßen vor der Universität in Hefei säumen Massen von Studenten. Sie schwenken schwarz-rot-goldene Fähnchen und halten große rote Transparente, auf denen steht: "Guten Tag, Angela Merkel". Die Studenten jubeln, als die Wagenkolonne der deutschen Kanzlerin an der Uni vorfährt. Merkel genießt den euphorischen Empfang, den ihr die Uni bereitet, die seit 30 Jahren mit mehr als ein Dutzend Unis in Deutschland kooperiert.

Während in Deutschland ihre große Koalition in der Flüchtlingskrise taumelt, wird Merkel in der chinesischen Provinz wie eine Heldin gefeiert. Sie selbst hatte den Wunsch, bei ihrem achten Besuch in China nicht nur die typischen Großstädte mit ihren vielen Hochhäusern zu sehen, sondern auch einmal die Provinz zu besuchen.

Ministerpräsident Li Keqiang begleitet sie an diesem Tag in seine Heimatregion Anhui, dessen Hauptstadt Hefei ist. Ausgewählt für den Besuch wurde ein Dorf 30 Kilometer jenseits der Stadtgrenzen. In Deutschland würde man von einem Naherholungsgebiet sprechen. So bieten die Bauern der Umgebung gegen Geld Erdbeerpflücken und Angeln für die Städter an.

Im Mittelpunkt von Merkels Besuch steht eine Dorfschule und die Bauernfamilie Shen Zigen, die Zwiebeln und Staudensellerie anbaut. Sicherheitsleute, Neugierige, Berichterstatter und Offizielle von chinesischer Seite nehmen allerdings so viel Raum ein, dass die Betrachtung ursprünglichen chinesischen Lebens vom Trubel verdrängt wird. Als ein chinesischer Journalist ein Gemüsebeet betritt, um Merkel besser fotografieren zu können, mahnt ihn die Kanzlerin, das Gemüse nicht zu zertreten.

Ihre innenpolitische Krise und den Ärger mit der CSU versucht sich Merkel im fernen China vom Leib zu halten. Bei ihrem Abschluss-Statement reagiert sie auf die Frage, ob sie für die kommenden beiden Tage Kraft getankt habe, mit dem schmallippigen Hinweis, dass sie ihre China-Reise mit Interesse absolviert habe, wie sie auch in Deutschland ihre Arbeit mit Interesse und Nachdruck mache.

Für die Kanzlerin war es der Tag des Kontakts mit der Zivilgesellschaft. Am Abend zuvor hatte sie sich bereits in der deutschen Botschaft mit Menschenrechtsanwälten, Bloggern, Schriftstellern und Autoren getroffen.

Rückschritte bei der Meinungsfreiheit?

Seit einigen Jahren beklagen die Vertreter der Zivilgesellschaft in China Rückschritte bei der Meinungsfreiheit. Zugleich explodiert die Zahl der Nicht-Regierungsorganisationen förmlich. Sie sind die einzigen Organisationen, die sich staatlicher Kontrolle bislang entziehen können. Die Staatsführung, die offensichtlich zu viel Unabhängigkeit in der Gesellschaft fürchtet, plant nun ein Gesetz, das Nicht-Regierungsorganisationen (NGO) einen engen Rahmen gibt. Im Prinzip kann der Staat damit jeden Schritt dieser NGOs überwachen, auch der ausländischen.

Die Deutschen sehen das Gesetz mit Sorge: Nach ihrem Treffen mit Ministerpräsident Li Keqiang hatte die Kanzlerin ausdrücklich davor gewarnt, die Arbeit der Nicht-Regierungsorganisationen einzuschränken. Selbst in der Staatspartei, die 87 Millionen Mitglieder hat, gibt es Skepsis: Wenn auch ausländische Stiftungen und Wissenschaftsgesellschaften sich künftig jeden Schritt staatlich genehmigen lassen müssen, könnte dies auch Innovationen im Land einschränken. So wurde am Freitag ein Abkommen zwischen dem Fraunhofer-Institut IPK Berlin und der Stadt Jieyang zur Einrichtung eines Deutsch-Chinesischen Instituts für Technologietransfer unterzeichnet. Solche Kooperationen könnten schwieriger werden. Den Deutschen wird von chinesischer Seite stets versichert, dass das Gesetz keine Auswirkung auf die Arbeit der NGOs haben werde. Dies sagt auch Chinas mächtigster Mann, Xi Jinping, den Merkel am Donnerstagabend traf.

Airbus macht Milliardengeschäfte

Für die Wirtschaft war auch der zweite Tag der Reise mit der Kanzlerin von Erfolg gekrönt. Der Airbus-Konzern, der schon am Vortag einen Handel über insgesamt 130 Flugzeuglieferungen im Wert von 17 Milliarden US-Dollar abgeschlossen hatte, vereinbarte am Freitag, dass man in China eine Produktionslinie für 100 Hubschrauber vom Typ H135 aufbauen wolle. Geschäftsvolumen: Rund eine Milliarde Euro. Angesichts der schnellen Entwicklung in China sei es "gut und richtig" einmal im Jahr nach China zu fahren, betonte die Kanzlerin.

Aus deutscher Sicht hat neben der ökonmischen auch die politische Bedeutung Chinas zugenommen. Merkel lobte, China bringe sich intensiv bei der Lösung internationaler Konflikte ein und verwies auf die konstruktive Rolle der Chinesen beim Iran-Abkommen. Das "Iran-Format", das zum Atomabkommen führte und in dem die Nationen des Weltsicherheitsrats, Deutschland und der betroffene Iran saßen, gilt Merkel als Vorbild, um den Syrien-Konflikt einzudämmen und bei der Bekämpfung der Fluchtursachen voranzukommen.

(qua)
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