Angela Merkel zum 75. Geburtstag der Vereinten Nationen „Wer meint, allein besser zurechtzukommen, irrt“

New York · Zum Jubiläum der Vereinten Nationen hat die Kanzlerin mehr Einigkeit und Reformen angemahnt. Die UN bliebe oft hinter ihren Idealen zurück, sagte Angela Merkel in ihrer Videoansprache. Deutschland sei bereit, mehr Verantwortung zu übernehmen.

 Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zum Jubiläum der UN: „Wir sind eine Welt“.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zum Jubiläum der UN: „Wir sind eine Welt“.

Foto: dpa/Michele Tantussi

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat zum 75. Jahrestag der Gründung der Vereinten Nationen kritische Töne angeschlagen und mehr Gemeinschaftssinn gefordert. Die UN müsse zu oft hinter "ihren Idealen zurückbleiben, weil immer wieder Interessen einzelner Mitglieder verhindern, dass das Ordnungssystem so funktioniert, wie es müsste", sagte Merkel am Abend. "Doch wer meint, allein besser zurechtzukommen, der irrt. Unser Wohlergehen ist ein geteiltes. Und unser Leid auch."

Merkel nannte in einer Videoansprache die Corona-Pandemie als ein Beispiel dafür, "dass globale Probleme über Ländergrenzen hinweg und auf allen Ebenen Verständigung und Zusammenarbeit erfordern". Die Vereinten Nationen könnten letztlich nur so gut sein, "wie ihre Mitglieder sich einig werden", sagte die Kanzlerin. Ihre Rede wurde - ebenso wie die Videobotschaften zahlreicher weiterer Staats- und Regierungschefs - am UN-Sitz in New York ausgestrahlt.

Gerade auch bei schwierigsten Sicherheitsfragen, die sich etwa in Libyen oder bei der „Tragödie in Syrien stellen, gilt es trotz aller Rückschläge alles dafür zu tun, gemeinsame und damit tragfähige Antworten zu finden“. Deutschland sei bereit, weiterhin Verantwortung zu tragen, „gerne auch in einem erweiterten Sicherheitsrat“, sagte die Kanzlerin mit Blick auf Vorschläge zur Reform der UN und ihres mächtigsten Gremiums.Merkel würdigte die Arbeit der Vereinten Nationen bei der Friedenskonsolidierung etwa in Afghanistan und in Mali, aber auch deren Beteiligung an der Verfolgung von Kriegsverbrechen sowie im Kampf gegen Armut und bei der Ausrottung der Pockenkrankheit.

Die Kanzlerin beklagte zugleich, dass der UN-Sicherheitsrat - das wichtigste Gremium der Vereinten Nationen - zu oft "blockiert" sei, wenn es auf klare Entscheidungen ankommen. "Wir brauchen Reformen", mahnte die Kanzlerin. "Die Vereinten Nationen müssen sich weiterentwickeln, um die globalen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts bewältigen zu können."

Auch Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron äußerte sich anlässlich der Gründung der Vereinten Nationen vor 75 Jahren kritisch. "Unser gemeinsames Haus ist in Unordnung", sagte Macron in seiner Videobotschaft. "Seine Fundamente werden ausgehöhlt, seine Wände werden manchmal rissig unter den Schlägen jener, die es selbst aufgebaut haben."

Sowohl Macrons als auch Merkels Äußerungen konnten als Kritik an US-Präsident Donald Trump gedeutet werden. Der Rechtspopulist ist ein scharfer Kritiker von Multilateralismus und internationalen Organisationen und setzt auf das Motto "Amerika zuerst". Im Streit um den Umgang mit der Corona-Pandemie führt er unter anderem die USA aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Trump selbst nahm keine Videobotschaft für die Feierstunde in New York auf. Stattdessen hielt eine US-Diplomatin die Rede. Geplant ist aber eine Videoansprache des Präsidenten bei der einwöchigen Generaldebatte der UN-Vollversammlung. Trump wird einer der ersten Redner sein.

Die Vereinten Nationen waren 1945 als Nachfolgeorganisation des Völkerbunds gegründet worden, um nach dem Zweiten Weltkrieg internationale Zusammenarbeit zu fördern und Konflikte zu vermeiden. Ihr gehören heute 193 Staaten an.

Als offizieller Geburtstag gilt zwar der 24. Oktober 1945; die Jubiläums-Zeremonie wurde aber bereits jetzt im Vorfeld der Generaldebatte abgehalten. Sie stand unter dem Motto "Die Zukunft, die wir wollen, die Vereinten Nationen, die wir brauchen: Bekräftigung unseres gemeinsamen Bekenntnisses zum Multilateralismus".

UN-Generalsekretär António Guterres beklagte zum Auftakt der Zeremonie, derzeit gebe es zu viele "multilaterale Herausforderungen und ein Defizit an multilateralen Lösungen". Er sagte: "Niemand will eine Welt-Regierung - aber wir müssen zusammenarbeiten, um die Führung der Welt zu verbessern.

(juju/AFP/dpa)
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