Merkel bei Obama in Washington Die Kanzlerin im diplomatischen Krebsgang

Washington · US-Präsident Barack Obama hält die Frage der Waffenlieferungen an die Ukraine weiter offen. Für Kanzlerin Merkel ist das ein kleiner Erfolg in ihrem Bemühen um eine diplomatische Lösung in der Ukraine.

Angela Merkel: Kleiner Erfolg in ihrem Bemühen um Lösung in der Ukraine
Foto: dpa, mr jak

Wenige Minuten vor Beginn der gemeinsamen Pressekonferenz von Kanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Barack Obama stehen im gefüllten Pressesaal im Weißen Haus ein halbes Dutzend TV-Reporter, die vor laufenden Kameras den komplizierten Ukraine-Konflikt und die noch viel komplizierteren Bemühungen um eine diplomatische Lösung schildern. Der Trend ihrer Kommentare: Bislang gibt es keine sichtbaren Erfolge. Die Ukrainer werden wohl mehr Waffen benötigen, um sich gegen Russland zu verteidigen.

Doch der amerikanische Präsident hält dem öffentlichen Druck, tödliche Waffen an die Ukraine zu liefern, noch stand. "Ich habe noch keine Entscheidung getroffen", sagt er und betont, dass man weiter nach einer diplomatischen Lösung suchen wolle. "Die Perspektive einer militärischen Lösung des Konflikts ist immer niedrig gewesen", sagt Obama. Zugleich hält er die Option offen, zu einem späteren Zeitpunkt, sich doch noch für Waffenlieferungen zu entscheiden. Zuvor hatte er sich lange im Oval Office die Argumente der deutschen Kanzlerin angehört.

Merkel ist sich ihrer Sache sicher

Leidenschaftlich verteidigt Merkel ihren Weg der Diplomatie im Krebsgang: "Es ist richtig, es nochmals und nochmals zu versuchen, den Konflikt diplomatisch zu lösen. Es ist die Sache jedes Mal wert. Es ist unsere Pflicht. Dafür sind wir Politiker." In diesen Tagen erlebt man eine Kanzlerin, die sich ihrer Sache sicher ist: Sie will die Ukraine-Krise mit Worten, nicht mit Waffen lösen.

Trotz ihrer Kräfte zehrenden Pendeldiplomatie in Sachen Ukraine-Waffenstillstand zwischen Kiew, Moskau und Münchner Sicherheitskonferenz wirkte sie am Sonntag auf dem Flug nach Washington entspannt. Sie ist ein wichtiger Gesprächspartner für US-Präsident Barack Obama, der unter dem öffentlichen Druck steht, sich endlich zu möglichen Waffenlieferungen in die Ukraine zu äußern. Doch zuvor will er sich die Sicht der bedächtigen Deutschen anhören.

Ukraine: Eine friedliche Zukunft wird es nur mit und nicht ohne Russland geben
Infos

Ukraine-Krise - "Merkel geht ein hohes Risiko ein"

Infos
Foto: dpa, sc sh

Neu ist an der Konstellation, dass Merkel weiß, was sie will, während Obama zögert. Für die Amerikaner ist es eine irritierende Situation, dass die Fäden der Krisenbewältigung in Europa zusammenlaufen und man nicht selbst den Takt auf der Welt vorgibt. Ob dies in der Ukraine-Krise so bleibt, ist ungewiss.

Deutschlands neue Verantwortung

Münchener Sicherheitskonferenz - die wichtigsten Aussagen
13 Bilder

Die wichtigsten Aussagen von der Münchener Sicherheitskonferenz

13 Bilder
Foto: dpa, tha fdt

Im Management der Ukraine-Krise wird sichtbar, wie Deutschland seine neue Verantwortung definiert, während die Amerikaner sichtbar auf dem Rückzug aus der Sheriff-Rolle für alle Probleme dieser Welt sind. Neudeutsch gesprochen haben sie die Problemlösung für den Konflikt zwischen Russland und dem Westen an die Europäer "outgesourct".

Auch in der amerikanischen Öffentlichkeit spielt das Thema keine zentrale Rolle. In den großen Zeitungen findet die Ukraine-Krise eher auf den hinteren Seiten statt, während in den USA die Themen IS und internationaler Terrorismus dominieren.

Eine neue Rolle voller Risiken

Für Merkel, die als zentrale Figur in der Vermittlung gilt, ist die neue Rolle voller Risiken. Sie setzt auf detailreiche Diplomatie, während in Amerika die Stimmen der Abschreckungsbefürworter immer lauter werden. Wenn sie am Ende dieser Woche nichts in Händen hält, werden gegen ihren Willen die USA möglicherweise doch noch Waffenlieferungen an die Ukraine in die Wege leiten. Das deuteten beide nach ihrem Gespräch an. Und auch in der Europäischen Union dürften zumindest die nächsten Sanktionen gegen Russland nicht mehr lange auf sich warten lassen.

Bislang kann die deutsche Kanzlerin nur wenig vorweisen: Noch kurz vor ihrem Abflug hatte sie in einer Telefonkonferenz am Sonntag mit den Präsidenten Russlands, der Ukraine und Frankreichs ausgehandelt, dass die Gespräche über ein neues Waffenstillstandsabkommen am Mittwoch in Minsk fortgesetzt werden sollen. Es war ein noch kleiner Schritt voran im diplomatischen Krebsgang. Doch noch sitzen die Kontrahenten nicht an einem Tisch.

Der eigentliche Grund von Merkels Kurztrip nach Washington und Kanada war die Vorbereitung des G-7-Gipfels, der im Juni im bayerischen Schloss Elmau stattfinden wird.

Merkel will wie 2007 in Heilgendamm als strahlende Gastgeberin dastehen, die sich nicht nur mit der Bewältigung von Krisen, sondern vielmehr mit der Gestaltung der Zukunft befasst. So traf sie vor ihrem Gespräch mit Obama weibliche Führungskräfte aus Politik und Wirtschaft. Ein Thema bei der Zusammenkunft der wichtigsten Industrienationen im Frühsommer ist die weltweite Verbesserung von Chancen für Frauen beim beruflichen Aufstieg, in Industriestaaten wie in Schwellen- und Entwicklungsländern.

Zudem wird es um den Kampf gegen Anitbiotikaresistenzen und Seuchen wie Ebola gehen, ebenso um Umwelt- und Meeresschutz. Doch diese Themen verblassten im grellen Licht der Krisen.

(qua)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort