Kanzlerin reist nach Athen Wie empfangen die Griechen Angela Merkel?

Berlin/Athen · Die Nachricht löste bei vielen Landsleuten Hoffnung aus: Seit Donnerstag ist Griechenland zurück am Kapitalmarkt. Der Besuch von Kanzlerin Angela Merkel in Athen am Freitag dürfte damit deutlich entspannter ausfallen als im Oktober 2012 - oder doch nicht?

Angela Merkel: Ausschreitungen bei Protesten gegen ihren Besuch in Griechenland
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Ausschreitungen bei Protesten gegen Merkels Besuch in Griechenland

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Ausschreitungen, Beschimpfungen, Nazi-Vergleiche - als Kanzlerin Merkel vor rund eineinhalb Jahren nach Athen reiste, wurde sie von den Griechen mit einer Mischung aus Eiseskälte, Hass und Zorn empfangen. Für die gebeutelten und stolzen Griechen war die deutsche Regierungschefin der Grund allen Übels: die Massenarbeitslosigkeit in ihrem Land, der wirtschaftliche Niedergang des Mittelmeerlandes, das Spar-Diktat der Europäischen Gemeinschaft. Merkel war an allem schuld, so die verbreitete Meinung.

Und heute? Die Stimmung im Land stellt sich im April 2014 etwas anders dar. Athen ist seit dem gestrigen Donnerstag zurück auf dem Kapitalmarkt. Erstmals seit dem Hilferuf an die Euro-Partner vertrauen private Investoren dem Land wieder längerfristig Geld an. Nach Angaben des Finanzministeriums in Athen wurden drei Milliarden Euro am Anleihemarkt eingesammelt, rund eine halbe Milliarde mehr als angepeilt. Gute Nachrichten aus Athen.

Ausschreitungen wie beim Athen-Besuch Merkels im Oktober 2012 werden somit nicht erwartet. Damals war die Kanzlerin wegen ihres harten Sparkurses in der Euro-Schuldenkrise von vielen Menschen in Griechenland auch persönlich für die Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen verantwortlich gemacht worden.

Die harten Jahre der finanziellen Entbehrungen mit dem positiven Ende am Donnerstag - der Rückkehr an den Kapitalmarkt - haben indes nicht zu einem grundlegenden Stimmungswandel geführt: Die Griechen sind nicht zu Merkel-Fans mutiert. Noch immer nehmen sie es der Kanzlerin übel, dass sie ihrem Land diesen harten Sparkurs aufgezwungen hat. Die Folge damals: monatelange Proteste der Bevölkerung, gewaltsame Ausschreitungen mit der Polizei und Streiks im öffentlichen Dienst. Griechenland war zahlungsunfähig und innenpolitisch zerrüttet.

Mit ihrer Reise nach Athen im Frühjar 2014 möchte Merkel vor allem eine zentrale Botschaft streuen: Der Regierung und Bevölkerung Mut zu sprechen und die Bemühungen loben. Griechenland gehe einen schweren Weg. "Aber wir stehen Griechenland zur Seite", sagte sie vor wenigen Tagen beim CDU-Europaparteitag. Ihr Sprecher Steffen Seibert erklärte kürzlich, die Kanzlerin bewundere den griechischen Weg. Zwar sei er für große Teile der Bevölkerung schwer, zeige nun aber erste Erfolge.

Am Freitag will sie nun die Regierung um den konservativen Ministerpräsidenten Antonis Samaras in ihrem Sparkurs bestärken. Neben Gesprächen mit Samaras sind Treffen mit griechischen Mittelständlern und jungen, innovativen Unternehmern geplant. Am Abend wollen Merkel und Samaras die Öffentlichkeit über ihre Gespräche informieren.

Auf der Agenda steht unter anderem der Aufbau der geplanten Förderbank für Griechenland. Merkel will dazu gemeinsam mit Samaras eine Absichtserklärung unterzeichnen. Demnach wollen beide Länder jeweils 100 Millionen Euro für den Aufbau der Bank bereitstellen. Dies sei eine Zwischenlösung, um das ins Stocken geratene Projekt voranzubringen. Der deutsche Beitrag solle über die deutsche Förderbank KfW fließen, die zugleich das Vorbild für die angestrebte griechische "Institution for Growth" sei.

Wie aufgeheizt die Stimmung in Athen vor dem Merkel-Besuch ist, führte die Explosion einer Autobombe vor Augen, die am Donnerstag Sachschäden angerichtet hatte. In Griechenlands Hauptstadt gilt Sicherheitsstufe eins: Für Freitag sind alle Demonstrationen im Regierungsviertel verboten. Gewerkschaften, die stärkste Oppositionspartei Bündnis der radikalen Linken (Syriza) und autonome Gruppierungen riefen zu Protesten auf.

Der Chef der EU-Task-Force hält für das Krisenland eine Besserung der Lage für möglich. "Dies ist ein potenzieller Wendepunkt für das Land", sagte der deutsche Ökonom Horst Reichenbach "Spiegel Online". "Die Märkte sehen, dass es in Griechenland politische Unterstützung und Zustimmung für Reformen gibt."

Allerdings sei der Krisenstaat noch nicht über den Berg und könnte weitere Finanzhilfen aus dem europäischen Rettungsfonds ESM benötigen. Reichenbachs Task-Force koordiniert die europäischen Hilfen und unterstützt Griechenland bei Reformen.

(rpo)
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