Merkel besucht Putin Krisentreffen an der russischen Küste

Sotschi · Um das deutsch-russische Verhältnis steht es nicht gut. Die Bundeskanzlerin reist deshalb zu Wladimir Putin. Die Erwartungen sind hoch.

Angela Merkel und Wladimir Putin (Archiv).

Angela Merkel und Wladimir Putin (Archiv).

Foto: dpa/Michael Kappeler

Schon für ein einziges Thema auf der Liste würde die Zeit kaum reichen. Wenn es hoch kommt, werden Angela Merkel und Wladimir Putin am Freitag gut zwei Stunden miteinander sprechen, in der Sommerresidenz des Präsidenten im Badeort Sotschi an der russischen Riviera. Es geht um die Konflikte in der Welt:

  • den Krieg in der Ostukraine zwischen ukrainischen Soldaten und prorussischen Separatisten,
  • die EU-Wirtschaftssanktionen gegen Russland, die geplante Gaspipeline Nord Stream 2 von Russland durch die Ostsee nach Deutschland mit dem Bedeutungsverlust für die Ukraine als bisheriges Gastransit-Land,
  • Moskaus Rolle im Syrien-Krieg an der Seite von Machthaber Baschar al-Assad,
  • die Kündigung des internationalen Atomabkommens mit dem Iran durch US-Präsident Donald Trump,
  • den Giftanschlag auf den russischen Doppelagenten Sergej Skripal in Großbritannien.

Diplomaten haben zwar viel Vorarbeit geleistet. Außerdem waren kürzlich Außenminister Heiko Maas (SPD) und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) in Moskau und haben die Lage mit ihren Amtskollegen erörtert. Dennoch müssen die Punkte im Minutentakt abgehakt werden.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU), sieht schon jetzt einen Gewinner der Abkühlung im transatlantischen Verhältnis: den russischen Präsidenten. „Wladimir Putin kann sein Glück kaum fassen.“ Zersetzende Elemente gebe es jetzt im Osten und im Westen, sagt Röttgen mit Blick auf den Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen mit Iran. Er spricht von einem „Präzedenzfall“, weil der US-Präsident ohne jede Einbindung der Verbündeten den Vertrag gekündigt habe. „Es ist eine amerikanische Entscheidung gegen vitale Interessen der europäischen Verbündeten.“ Er spricht sich für eine durch die EU initiierte Nahost-Konferenz zur Eindämmung der Krise in der Region aus. Er fordert zudem eine Neubestimmung europäischer Außenpolitik: „Alles verändert sich um uns herum, nur wir nicht.“

Für Merkel und Putin geht es beim Treffen in Sotschi vor allem darum, ob sie anknüpfen können an bessere Zeiten der deutsch-russischen Beziehungen. Sie kennen sich seit vielen Jahren, beide haben jetzt ihre jeweils vierte Amtszeit angetreten. Sie zollen sich Respekt, aber sie mögen sich nicht sehr.

Der tiefe Bruch kam 2014, als Russland die ukrainische Halbinsel Krim annektierte. Für die Kanzlerin eine Verletzung der territorialen Integrität und der europäischen Friedensordnung. Im weißrussischen Minsk hatte sie es 2015 zusammen mit Frankreich geschafft, Putin und den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko an einen Tisch zu holen und ein Friedensabkommen auszuhandeln. Doch im Donbass wurde weiter getötet. Bis heute.

Merkel und Poroschenko schwebt vor, einen Waffenstillstand durch eine Beobachtermission zu erreichen – eine Friedenssicherungstruppe auf UN-Basis. Poroschenko pocht auf eine robuste Blauhelmtruppe, die Konfliktparteien auch in den von prorussischen Separatisten kontrollierten Gebieten und die ukrainisch-russische Grenze überprüfen darf. Das lehnt Russland ab. Womöglich werden sich Merkel und Putin auf einen neuen Vierer-Gipfel verständigen. Zuletzt war das sogenannte Normandie-Format im Herbst 2016 ergebnislos verlaufen. Mit dem neuen französischen Präsidenten Emmanuel Macron könnten auch neue Impulse kommen.

Seit Trumps Amtsantritt und seinen Kündigungen internationaler Vereinbarungen haben sich die Koordinaten verschoben. Partiell ist die EU nun näher bei Russland und China als bei den USA. Beispiel Iran-Abkommen. Merkel behagt das nicht, aber sie versucht, zu retten, was zu retten ist. Wenn Europa im Schulterschluss mit Russland und China den Iran bei der Stange halten kann, wird sie diesen Weg gehen.

Mit Putin dürfte sie über einen möglichen Ausgleich für wiedereingeführte US-Wirtschaftssanktionen gegen Teheran sprechen. Was die einen trennt, könnte die anderen verbinden. Vielleicht rücken Merkel und Putin zusammen, weil die USA mit Trump sich von Europa abwenden. Röttgen fordert die Europäer auf, sich im Verhältnis zu den USA zu emanzipieren: „Ich glaube schon, dass wir in dieser (transatlantischen) Partnerschaft europäischer werden müssen.“

(kd/hom)
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