Merkel bei Trump Ein transatlantischer Stresstest

Berlin · Während Donald Trump dem französischen Präsidenten drei Tage lang den roten Teppich ausrollt, muss die Kanzlerin in drei Stunden zur Sache kommen. Das kann eine gute Arbeitsteilung sein. Oder ein Bedeutungsverlust.

 Trump und Merkel gemeinsam beim G20-Gipfel in Hamburg. (Archiv)

Trump und Merkel gemeinsam beim G20-Gipfel in Hamburg. (Archiv)

Foto: rtr, MGO/joh/ZUZ

Man könnte meinen, Donald Trump sei verliebt. Der bullige US-Präsident strahlt den asketisch anmutenden französischen Präsidenten Emmanuel Macron an, er nennt ihn "perfekt". Sie küssen sich sogar, beziehungsweise sie begrüßen sich mit den in den USA bei Männern gar nicht beliebten französischen Küsschen links, Küsschen rechts. Und scheinbar väterlich wischt der 71-Jährige dem 40-Jährigen im Oval Office vor aller Welt noch ein paar Flusen vom Revers. In Wirklichkeit ist das natürlich übergriffig und soll zeigen, wer hier der "Obermacker" ist, wie es die "FAZ" formuliert. Macron ist die Wirkung von Bildern klar, hatte sich der zierliche Franzose doch bei seinem ersten Treffen mit Trump am Rande des Nato-Gipfels im vorigen Jahr mit einem verblüffend eisernen Händedruck Respekt verschafft. Auch bei diesem riesengroßen dreitägigen Staatsbesuch mit Pomp und Pathos in Washington erwidert er Trumps Körperkontakt schnell mit ordentlichen Schlägen auf die Schulter des sehr viel größeren Amerikaners. Macron will die symbolische Augenhöhe halten. Sie geben sich nicht die Hände, sie klatschen sich ab, fast sieht es nach Armdrücken aus. Männer.

All das verdeckt erst einmal den transatlantischen Stresstest mit den großen Irritationen, die dieser US-Präsident auslöst. Seine Abkehr von internationalen Verträgen, sein angezettelter Handelskrieg, das Chaos in seiner Regierung durch Rücktritte oder Rauswürfe von Ministern und Beratern mit anschließendem Rechtsruck und die Kriegsdrohungen gegen Russland und Nordkorea via Twitter, um danach alles wieder ins Gegenteil zu wenden.

Zumindest Bilder der Kraftmeierei werden Angela Merkel erspart bleiben, wenn sie Trump morgen im Weißen Haus trifft. Sie ist kein Kumpel-Typ, sie hält Distanz. Erst recht zu Trump, der alles aufkündigen möchte, was der Vorgänger und Merkel-Fan Barack Obama ausgehandelt hat. Weil Trump der Kanzlerin bei ihrem ersten Besuch im März vorigen Jahres nicht einmal die Hand im Oval Office für die Fotografen gab, muss sie nun auch keine große Charme-Offensive befürchten. Merkel betont zwar, dass das transatlantische Bündnis für sie ein "großer Schatz" sei, den sie hegen und pflegen wolle. Aber sie und Trump haben keinen Draht zueinander. Der sprunghafte Milliardär kann mit der bodenständigen Pfarrerstochter aus der DDR wenig anfangen. Und umgekehrt. Er dürfte spüren, dass sie ihm intellektuell überlegen ist und sich nicht vereinnahmen lässt. Das verletzt seine Eitelkeit.

Für Merkel war schon vor einem Jahr der Punkt gekommen, Europa zu mehr Selbstbewusstsein und Unabhängigkeit von den USA aufzufordern, als sie in einem Bierzelt sagte: "Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, sie sind ein Stück weit vorbei. Das habe ich in den letzten Tagen erlebt." Sie meinte den verkorksten G 7-Gipfel mit Trump in Italien. Die Frage ist nun, wie stark sich Europa aufstellen kann und ob das Trump beeindruckt. Etwa in der Verteidigungspolitik jedenfalls kann vor allem Deutschland nicht selbstbewusst auftreten, weil es von der vereinbarten Nato-Verpflichtung, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für das Militär auszugeben, mit gerade mal 1,2 Prozent noch weit entfernt ist.

Für Merkel und Macron geht es erst einmal darum, nacheinander auf diesen US-Präsidenten einzuwirken, im Sinne des Weltfriedens nicht nationalistisch zu agieren, sondern Bündnisse zu schmieden und zu pflegen. Nach seinem Ausstieg aus dem Pariser Klimaschutzabkommen im vorigen Jahr wollen sie Trump nun von einer Abkehr von dem so mühsam ausgehandelten Atom-Abkommen mit dem Iran abbringen. Für Trump ist es, wie sollte es anders sein, der "schlechteste Deal aller Zeiten". Ferner geht es um nichts Geringeres, als einen Handelskrieg zu stoppen. Nicht drei Tage wie Macron, sondern nur drei Stunden wird Merkel mit Trump über die großen Differenzen im transatlantischen Verhältnis sprechen. Eine besondere Arbeitsteilung. Erst Glanz und Gloria mit Macron, der Trump schmeichelt, dann der nüchterne Arbeitsbesuch Merkels, die Trump vor "America first" warnt.

Trump hat Strafzölle auf Stahl und Aluminium erhoben und die EU bis zum 1. Mai davon ausgenommen. Nun bestehen in Europa Bedenken, ob die USA diese Frist verlängern oder vielleicht zusätzliche Zölle erwägen wollen - etwa auf Autos. Die EU erhebt Zehn-Prozent-Zölle für Einfuhren von USFahrzeugen, umgekehrt sind es nur 2,5 Prozent. Alle wissen, dass es Trump auch darum geht, Bündnisse wie die EU oder die Welthandelsorganisation (WTO) zu spalten, um bilaterale Vereinbarungen zu treffen, bei denen die USA die Stärkeren sind. Er könnte sich einfach bei der WTO beklagen. Oder das unter Obama geplante transatlantische Freihandelsabkommen TTIP wiederbeleben. Aber so lange könnte Merkel Trumps Hand gar nicht drücken.

Trump und Macron dinieren mit 150 Gästen im Weißen Haus
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Der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrates, Wolfgang Steiger, mahnt: "Wir müssen den Freihandel insgesamt schützen und brauchen ein umfassendes Abkommen, das der WTO standhält - und nicht etwa einen reinen Ausnahmekatalog, der zwischen der EU und den USA geschlossen wird." Auch der neue Koordinator der Bundesregierung für die transatlantische Zusammenarbeit, Peter Beyer, sagt unserer Redaktion: "

Früher war es so, dass Obama Merkel anrief, wenn er Europa sprechen wollte. Heute ruft Trump wohl in Paris an. Ob Trump einen Keil zwischen Macron und Merkel treiben kann, wird man bald sehen. Noch so ein Stresstest.

(kd)
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